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Francesca Albanese und der Brandmauer-Bumerang

Am 18. Februar 2025 sollte im Kühlhaus Berlin die Veranstaltung „Reclaiming the Discourse: Palestine, Justice, and Truth“ mit UN-Sonderberichterstatterin Francesca Albanese und der Generalsekretärin von Amnesty International, Julia Duchrow stattfinden. Der Veranstaltungsort, soll jedoch massiv von deutschen Politikern und der Berliner Polizei unter Druck gesetzt worden sein, die Veranstaltung abzusagen. Die Veranstaltung konnte daraufhin nur stattfinden, weil die „Junge Welt“ ihre Räumlichkeiten kurzfristig zur Verfügung stellte, teilt DiEM25 in einem “DRINGENDEN AUFRUF zur Vertedigung der Meinungsfreiheit” mit. Der Vorgang verdient es, aufgegriffen zu werden, zeigt er doch symptomatisch auf, wie es um den Zustand unserer Demokratie und des Rechtsstaats bestellt ist. 

Zuvor hatte bereits die Münchner Ludwig-Maximilians-Universität (LMU) eine für den 16. Februar 2025 geplante Veranstaltung mit der Sonderberichterstatterin des Menschenrechtsrats der Vereinten Nationen für die Palästinensergebiete, Francesca Albanese, in ihren Räumlichkeiten wieder abgesagt. Und auch damit nicht genug, geht es nahtlos so weiter.

„Nach Druck aus der Politik hat die Freie Universität Berlin die für den 19. Februar 2025 als öffentliche Präsenzveranstaltung geplanten Vorträge der Völkerrechtswissenschaftlerin und UN-Sonderberichterstatterin für die besetzten palästinensischen Gebiete, Francesca Albanese, und des israelischen Architekten Prof. Eyal Weizman abgesagt“, schreibt der Freitag in einem Aufruf, zur Verteidigung von Meinungs- und Wissenschaftsfreiheit an Hochschulen, die zahlreiche unterzechnende Organisationen in Gefahr sehen. Es soll der regierende Bürgermeister Kai Wegener (CDU) selbst gewesen sein, der die Universität zur Absage gedrängt hat.

Zu der heutigen Absage und Verlegung in die Räumlichkeiten der jungen Welt, berichtet Bastian Barucker am 18. Februar 2025 auf seinem Telegram-Kanal:

„Heute sollte in Berlin ein Kongress mit dem Titel: “Die Debatte zurückgewinnen: Palästina, Gerechtigkeit und die Macht der Wahrheit” u.a. mit Francesca Albanese der  UN-Sonderberichterstatterin für die besetzten Gebiete Palästina stattfinden.  Die Veranstaltung musste aufgrund polizeilicher Anordnung räumlich verlegt werden. Die linke Tageszeitung Junge Welt bot dann ihre Räumlichkeiten an. Die Polizei ist gegen den Willen aller Beteiligten im Raum, um zu überprüfen, ob eventuell eine Straftat begangen wird. Das ist also die präventive Einschränkung der Grundrechte aufgrund der Vermutung einer Straftat. Das ist nicht mit dem Grundgesetz vereinbar.  Egal ob politisch rechts oder links und auch unabhängig vom Thema der Veranstaltung sollte so ein totalitäres Vorgehen der Polizei und der zuständigen Politiker öffentlich gemacht werden und Konsequenzen haben. Livestream verfolgen.“

Im Videoausschnitt beklagt Dietmar Koschmieder, Geschäftsführer der Tageszeitung junge Welt zu Recht die Einschränkung von Meinungs- und Versammlungsfreiheit. Sieben Polizisten sollten sich während eines Vortrags in den Räumlichkeiten der Jungen Welt, eines Presseorgans (!) aufhalten, weil zu befürchten sei, dass strafbare Handlungen vorgenommen werden könnten.

Auf Grund polizeilicher Möglichkeiten sei verfügt worden, dass dies geduldet werden müsse, obwohl der Einwand erhoben wurde, dass dies Meinungs- und Pressefreiheit einschränke. Dies soll noch juristisch überprüft werden, wurde zunächst jedoch geduldet, um die Veranstaltung abhalten zu können. Vielleicht befanden sich darüber hinaus ohnehin auch noch Beamte verschiedener Behörden in zivil im Raum. Damit muss man im besten Deutschland aller Zeiten  wohl stets rechnen.

Der Einwand, man könne doch den Livestream verfolgen und einschreiten, falls sich strafbares Verhalten zeigen sollte, entgegnete man, dass es nicht nur darauf ankäme, was auf dem Podium gesprochen, sondern auch, was im Publikum (!) gesprochen werde – also privat zwischen Menschen! Das ist eine wahrlich ungeheuerliche und brandgefährliche Aussage.

Er vergleicht diesen Vorgang sowie die Abbrüche von Veranstaltungen mit den 20er Jahren des letzten Jahrhunderts, als Veranstaltungsabbrüche zur Not auch konstruiert wurden. Er nennt dies einen Verfall demokratischer Grundrechte. Man solle sich nicht darauf einstellen, dass das der Höhepunkt einer Entwicklung ist, sondern wahrscheinlich der Beginn einer Entwicklung. Er hält diese Einschränkung diverser Grundrechte für einen politischen Skandal, der nicht einfach so hingenommen werden dürfe.

Er endet mit einem Aufruf: Lassen wir uns nicht provozieren. Lassen wir uns nicht das Recht nehmen, unsere Meinung frei zu äußern, auch wenn jeder, der hier spricht, immer überlegen muss, ob das, was er sagt, von der Polizei für strafbar gehalten werden könnte. Lasst uns gemeinsam den Widerstand nicht brechen, auch nicht durch Provokationen.

Soweit zum Statement von Dietmar Koschmieder, das man wohl zum größten Teil teilen kann. Millionen Menschen in Deutschland werden es jedoch nicht vollinhaltlich teilen können. Die Diskrepanz dürfte dort erreicht sein, wo er ausführt, dass dies der Beginn einer Entwicklung sei, die mit der Zeitenwende begonnen habe. Dem ist aber nicht so. Seinen zuletzt zitierten Aufruf dürften zigtausende Bürgerrechtler und Friedensbewegte kennen. Er wurde vor zahllosen Demonstrationen für Grundrechte und Frieden in den letzten Jahren ausgesprochen – auch am Wochenende wieder bei der Friedensdemonstration von Macht Frieden. Der Aufruf richtete sich aber nicht nur gegen die Staatsmacht, die diese die Demokratie konstituierenden Versammlungen unterdrückte und verbot, sondern auch gegen Gegendemonstranten, die sich selbst „Antifa“ nannten und stets auf der Suche nach Nazis waren, wo es keine gab. 

Es reiht sich ein in Vorgänge, die Bürgerrechtler seit 2020 kennen. Seit dieser Zeit wurden Wohnungen und Geschäftsräume durchsucht und Existenzen vernichtet. Prof. Dr. Stefan Hockertz, einer der frühzeitig aus dem Spiel genommen wurde, um kritische Stimmen zu unterdrücken und durchregieren zu können, schreibt dazu auf seinem Telegram-Kanal

„Zu den Folgen einer Hausdurchsuchung und einer jahrelangen posttraumatischen Belastungsstörung kann ich leider aus eigener Erfahrung berichten. Dass die Schergen ihren Spaß hatten war deutlich zu spüren.“

Er nimmt damit Bezug auf eine US-Doku über deutsche Staatsanwälte und den Zustand von Rechtsstaat und Bürgerrechten in Deutschland, der mittlerweile fast die ganze Welt – einmal mehr – fassungslos den Kopf schütteln lässt. Die Berliner Zeitung schreibt dazu:

„Insbesondere die Szene, in der die Staatsanwälte lachen, verbreitet sich am Montag rasant auf der Plattform X. Millionen Nutzer sehen, wie die Staatsanwälte über die Beschlagnahmung von Handys von Bürgern lachen. Ein amerikanischer Nutzer kommentiert: „Das Kichern, als sie darüber sprechen, das Leben von Menschen zu zerstören, ist bezeichnend.“ Ein deutscher User fügt über die Staatsanwälte hinzu: „Sie wissen, dass ihr Vorgehen eine Strafe für den Betroffenen ist. Unabhängig davon, ob der überhaupt eine Straftat begangen hat.“

Kurz darauf äußerte sich auch der amerikanische Vizepräsident J.D. Vance zu der Strafverfolgung von sogenannter Hasskriminalität in Deutschland. Dem Online-Portal Disclose TV zufolge kritisiert er diese am Montag als „Orwellianisch“. Weiter sagt er: „Jeder in Europa und den USA muss diesen Irrsinn ablehnen.“

Der US-Vizepräsident machte am 14. Februar 2025 auf der sog. „Sicherheitskonferenz“ in München von sich reden, weil er den Anwesenden eine Standpauke zum Zustand der Meinungsfreiheit hielt. Nun mag man die Politik des Imperiums, die in ihrem tatsächlichen Handeln dem Gesagten widerspricht, durchaus kritisch betrachten. Dies sollte man sogar dringend tun, weil es grundsätzlich Machtstrukturen sind, die Demokratie verhindern und nirgendwo dürfte es aktuell eine derartige Machtkonzentration geben wie in der neuen US-Regierung. Jedoch hatte er mit dem, was er in Bezug auf Meinungsfreiheit und Demokratie gesagt hat völlig Recht und zwar derart, dass den anwesenden Politikern sichtlich vor kognitiver Dissonanz der Kopf platzte und Kriegsminister Boris Pistorius postwendend die Aussagen von Vance bestätigte, wofür er, um dem Irrsinn die Krone aufzusetzen, zum besten Kanzlermaterial hochgeschrieben wurde.

Man kann sich des Eindrucks nicht erwehren, dass in weiten Teilen der Bevölkerung noch immer nicht begriffen wird, in welchem Zustand sich unser Land befindet. Es wird gebrandmauert gegen die Gefahr eines aufziehenden Faschismus, während andere das “Wehret den Anfängen” bereits Jahre zurück wähnen – und beide Seiten verstehen kein Wort von dem, was der jeweils andere sagt. Der Bumerang der Brandmaurerei, die ohne sich so zu nennen bereits, mit Demonstrationen gegen Bürger begann, die sich auch für deren Grundrechte, Demokratie und Frieden einsetzten, kehrt nun mit voller Wucht zurück. Dies alles wurde von sehr vielen Menschen bereits seit 2020 prognostiziert. Bürgerrechte, die eingeschränkt werden, bekommt man nicht wieder. Machtstrukturen geben Macht nur äußerst ungern wieder her. Unsere Vorfahren, die sich diese Bürgerrechte blutig erkämpfen mussten, sind leider längst vergessen. Die fehlende Wertschätzung für Grundrechte rächt sich nun.

Ohne pauschale Vorurteile bedienen zu wollen, kann man sich des Eindrucks nicht erwehren, dass viele, die sich nun (noch einmal: zu Recht!) über diesen Vorgang aufregen, damals applaudiert haben. Noch heute wird nicht anerkannt, welchen Einsatz Millionen Menschen seit 2020 für den Erhalt von Grundrechten, Demokratie und Rechtsstaat geleistet haben. Noch heute wird nicht anerkannt, dass sie mit ihrer Kritik fast ausnahmslos Recht hatten und die eigentlichen Zustände noch viel zu harmlos beschrieben haben. Erst am Wochenende wurde die Friedensbewegung, die aus der Bürgerrechtsbewegung hervorgegangen ist, auch von „linken“ Medien mit den üblichen Diffamierungsbegriffen belegt, wie Schwurbler:innen, Corona-Leugner:inne, Querdenker:innen, oder Verschwörungstheoretiker:innen. Man gendert den Hass wenigstens, damit sich alle mitgehasst fühlen dürfen und ruft zu Demos gegen Hass auf. Genau diese Doppelmoral wurde aus der Bürgerrechtsbewegung immer wieder beklagt und kritisiert. Das gleiche Schicksal trifft alle Kritiker von Machtstrukturen. Die Themen variieren – ob Klima, Wokeness, Migration, Gaza oder Ukraine, um nur ein paar größere Themen zu nennen, die zur Spaltung dienen und dadurch Macht sichern.

Grundrechte haben nur dann einen Wert, wenn sie allgemeingültig sind. Sonst sind sie wertlos.  Demokratie kann nur dann existieren, wenn die öffentlichen Debattenräume, deren Lebenselixier sie sind, intakt sind. Deshalb ist es auch zu beklagen, dass die Brandmaurer-Bewegung mit ebenjenen Strukturen der Macht, deren Wirken sie nun beklagen, Woche für Woche auf die Straße gehen und diese stützen, statt sich für die Geltung der Grundrechte für alle einzusetzen – und seien sie noch so ein großes Feindbild. Es mag sich jeder selbst hinterfragen, ob er hämisch feixend das Compact-Verbot beklatscht hat. Besonders Journalisten, die eine Erosion der Pressefreiheit beklagen, sollten dies tun. Der Compact-Chef Jürgen Elsässer wurde aus dem Bett geklingelt und öffnete der Staatsmacht im Bademantel die Tür zur geplanten Existenzvernichtung. Seither gilt der Bademantel unter Bürgerrechtlern als Symbol für den Zustand unserer Republik. Wer wagt, für Frieden und Grundrechte gegen die Staatsmacht einzutreten, muss darauf gefasst sein, dass seine Wohnung ausgeräumt, seine Familie traumatisiert und seine Existenz vernichtet wird.

Auch wenn es so wirken mag, weil mit Bademantel-Bildern satirisch gespielt wird: Das ist kein Spaß. Es ist bitterer Ernst. Der Souverän befindet sich bereits seit spätestens 2020 in einem Zustand fortwährender Notwehr gegenüber einem übergriffigen Staat, vor dem ihn eigentlich die Grundrechte schützen sollten. Es wäre langsam an der Zeit, dass dies in der Breite der Bevölkerung ankommt. So bitter das auch ist, aber vielleicht hilft dazu die eigene Betroffenheit.

Wer mit diesen Gedanken etwas anfangen kann und sie honorieren möchte, findet unter diesem Link ein paar Möglichkeiten zur Unterstützung zur Auswahl. 

(Titelbild: https://x.com/jungewelt/status/1891850591611109515)