Thomas Prudlo, der Stadtvorsitzende der ÖDP München hielt auf einer Demo, die ich für den Verein Kinderrechte Jetzt e.V. und das Wir-Gemeinsam-Bündnis für den 20. Februar 2022 auf der Theresienwiese angezeigt hatte, eine beeindruckende Rede. Ich bin sehr froh, dass ich ihn für diese Versammlung gewinnen konnte, denn im Winter 21/22 erforderte ein Eintreten für unsere Grundrechte und die Demokratie Mut, so absurd das für die klingen mag, die selbst nicht davon betroffen waren. Wir standen im Sturm und ich bin froh um jeden, der sich in diesen begeben hat, um das zu machen, was das normalste in einer Demokratie sein sollte: Demokratie leben. Thomas hielt zwar die kürzeste Rede, aber sie wirkt bei mir bis heute nach. Keine habe ich so oft angehört. Ich lege sie allen ans Herz und wünsche allen ein offenes Herz für diese Worte. Und für unsere Demokratie.
„Ich weiß nicht, ob ich empört oder nur besorgt bin. Ich bin vor allem besorgt, was die letzten zwei Jahre passiert ist mit unserer Demokratie und das gründet auf 2 Dinge.
Erstens einmal den Weltdemokratie-Index. Der ist seit 20 Jahren nicht mehr am Wachsen. Immer mehr Staaten rutschen in autokratische Systeme ab und dahinter aber steckt eigentlich das, was ich demokratische Löcher nenne und da sind in den letzten 2 Jahren beängstigende Dinge passiert.
Der erste Punkt, der passiert ist, nenne ich mal die Renaissance des Autoritären. Wer sich mit Fromm und mit Reich beschäftigt hat, der weiß, was damit gemeint ist. Ich hätte nicht gedacht, nachdem ich Franz-Josef-Strauß überlebt habe, dass uns das wieder passieren wird, dass man bei Demonstrationen eingekesselt wird. Ich hätte nicht gedacht, dass man abgekanzelt wird als Außenseiter. Bei Strauß hieß es noch Kommunistensau oder Gsindel. Der hat es ein bisschen anders genannt, aber das was man derzeit an Diffamierung abbekommt, wenn man friedlich demonstriert, ist unerträglich.
Wir haben letzten Freitag auf dem Marienplatz eine ganz einfache Übung gemacht, das heißt, 3 Minuten offen sprechen über seine Ängste, 3 Minuten zuhören und dann den anderen mit einer Wertschätzung entlassen. Das ist eine ganz einfache Übung. ich würde die gerne stadtweit ausrufen, weil das was passiert ist in den letzten zwei Jahren, ist einfach Ende des Dialogs. Die Spalterei, die wir da erleben durften, das ist toxisch. Das ist Gift für die Demokratie und da schaut kein Mensch hin. Das ist der zweite Punkt, den wir uns angucken müssen.
Der dritte Punkt: Es darf keine Diffamierung, Stigmatisierung und Zuschreibung geben. Das ist Ende der Debattenkultur. Wer das nicht erkennt, der hat die Demokratie nicht verstanden. Ich steh seit zwei Jahren, wie ganz viele andere auch – den Christian Felber, den kenn ich persönlich, der Roman Huber von Mehr Demokratie ist ein Freund von mir – wir stehen da und wir verstehen die Welt nicht mehr, dass es keine Grautöne mehr gibt. Es gibt nur noch schwarz oder weiß. Aber die Leute, die hier sind, die sind alle in den Grauschattierungen drin und Aufgabe der Demokratie ist es, genau diese Grautöne rauszuarbeiten, sonst ist es das Ende der Demokratie. Sonst leben wir in extremistischen Welten und das geht nicht.
Einen vierten Punkt würde ich der Politik mitgeben: Demokratie ist in sich pluralistisch – in sich pluralistisch! Wer das nicht versteht, versteht die Demokratie nicht. Und wo bitteschön ist diese Meinungsvielfalt abgebildet? Wo sind die Pro- und Contra-Seiten bei der Süddeutschen Zeitung? Wo sind die Pro- und Contra-Seiten bei der Zeit? Wo sind all diese Artikel, die wir bräuchten, um mal ein breites Meinungsbild aufzumachen? Es ist nicht Demokratie, dass wir zur Wahl gehen dürfen, sondern Demokratie ist in sich pluralistisch. Bitte verteidigt das, wo es nur irgend geht.
Und – das ist die schwierigste Aufgabe nach all den Diffamierungen, die wir in den letzten zwei Jahren erleben und ertragen mussten: Demokratie funktioniert nur – das habe ich in einem Buch über radikale Demokratietheorie gelesen – wenn wir freundlich und offen sind. Und so schwer es uns jetzt fällt, freundlich und offen zu bleiben, ich bitte drum, dass wir das hinkriegen. Ohne Freundlichkeit und Offenheit – so banal wie es klingen mag – wird es keine Demokratie geben. Danke für’s Kommen. Danke Euch von ganzem Herzen, dass Ihr da seid und die Demokratie hochleben lasst.“
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