Es folgt ein Text, der Emotionen hervorrufen wird, bei dem es anfangs vielleicht nicht so klar sein mag, wie das alles zusammenhängen soll. Ich denke jedoch, dass es lohnenswert sein könnte, ihn mit offenem Herzen und Verstand zu lesen und dann zu reflektieren. Er soll nicht angreifen, sondern zum Nachdenken anregen. Weil es die Lage der Welt und die Zukunft unserer Kinder zwingend erfordern.
Zum Einstieg in den nachfolgenden Text empfehle ich diese hörenswerte Rede der Fotografin Nan Goldin zur Eröffnung einer Ausstellung ihrer Werke in der Neuen Nationalgalerie.
Ich möchte jedoch die Aufmerksamkeit auf etwas anderes lenken. Ich habe angesichts der Verbrechen, die die israelische Armee an den Palästinensern begeht, großes Verständnis für emotionale Proteste gerade von Menschen, die dort noch Freunde und Verwandte haben und mit ihnen zittern und leiden. Es ist wohl das größte und grausamste Verbrechen, dem die Menschheit bisher live auf Milliarden Bildschirmen beiwohnen musste.
Meinungsfreiheit in Gefahr
Verstörend sind jedoch die Bilder nach Goldins Rede, als der Direktor der Neuen Nationalgalerie, Klaus Biesenbach, mit propalästinensischen Sprechchören niedergebrüllt wurde, obwohl er in bester demokratischer und aus der Mode gekommenen Übung einer Meinung eine Plattform bietet, die seiner widerspricht.
Diese Niederbrüllen (neudeutsch canceln) ist unwürdig und undemokratisch und es ist auch nicht durchweg von Emotionen getrieben, wie man an den lächelnden und teils über den undemokratischen Akt erfreuten Gesichtern insbesondere der offenbar deutschstämmigen Teilnehmerinnen sehen kann. Mir macht so etwas Sorge. Es gibt keinen rudimentären Respekt mehr vor demokratischen Gepflogenheiten. Die Meinungsfreiheit bedeutet diesen Leuten nicht viel und man braucht nicht viel Phantasie, um sich vorzustellen, was passieren würde, wenn sie das Sagen hätten. Denn die Schnittmenge zu denen, die es in dem faschistischen Moment vor drei Jahren bereits unter Beweis gestellt haben, dürfte groß sein.
Wir wissen es. Wir haben es erlebt. Sie würden es wieder tun. Sie tragen teilweise noch immer stolz die Maske, das Zeichen des New Normal Reich, wie CJ Hopkins es nennt. Und sie greifen die Meinungsfreiheit an, wie es ihnen die Oligarchen auf dem WEF Anfang des Jahres aufgetragen haben – freilich ohne die Herkunft ihrer Haltung auch nur erahnen zu können. Dass ohne Meinungsfreiheit eine Demokratie unmöglich ist, kümmert sie nicht, denn sie wollen ja woanders hin.
“El Hotzo” ist zurück und verbreitet seine Demokratiefeindlichkeit an knapp 750.000 Follower. Er bekam nur einmal und ausnahmsweise für einen Tweet Probleme, in dem er nach dem Trump-Attentat feixte, dass der Attentäter Trump verpasst hat, was er mit einem verpassten Bus verglich und noch nachlegte, dass er es absolut fantastisch fände, wenn Faschisten sterben. Das ist das Mindset derer, die vor 3 Jahren den faschistischen Moment ermöglicht haben. Wir haben gespürt, was sie mit ihren Gegnern machen würden, wenn sie könnten, egal ob deren Einschätzung zutrifft. Wenn nicht 20% der Bevölkerung bei dem Treiben mitgemacht hätten und wenn nicht wöchentlich Hunderttausende auf den Straßen laut Stopp! gerufen hätten.
Die große Verwirrung
Diese gesellschaftliche Gruppierung, die in großen Teilen kein Problem damit hatte, Ungeimpfte grundlos aus dem öffentlichen Leben auszuschließen und wohl auch kein Problem gehabt hätte, sie in Lager zu sperren und ihnen den Zugang zu Lebensmitteln und medizinischen Leistungen zu verwehren, stellt sich nun auf die Seite der Palästinenser.
In meiner Wahrnehmung stand ein Teil davon wiederum Ende Februar 2022 auf dem Königsplatz, als das Narrativ für den Ukrainekrieg mit wirkmächtigen Bildern in den Köpfen festgezurrt wurde und es galt, den großen Krieg gegen Russland als gemeinsame solidarische Aufgabe zu sehen, die das Corona-Narrativ ablöste.
Und wiederum ein Teil davon engagiert sich für Frieden in beiden Konflikten, will jedoch mit der Friedensbewegung, die sich aus der Bürgerrechtsbewegung oder aus Wagenknecht-Schwarzer-Unterstützern formte, nichts zu tun haben. Zudem dürfte die Schnittmenge wiederum groß sein zu denen, die die großen Demos gegen rechts organisierten und besuchten.
Ich traue mich das zu sagen, weil ich bis 2020 einer der am Besten vernetzen Akteure der Münchner Nachhaltigkeitsszene war. Ich kenne sehr viele Menschen und ich weiß ungefähr, wer in der alten Friedensbewegung aktiv ist, wie die Stimmungslage ist und wer die “Demos gegen rechts” organisierte. Letztere sind für mich ebenso Ausdruck einer faschistischen Strömung selbst, die gegen einen vermeintlichen AfD-Faschismus Menschen aus nGOs und Staatsdienst, Staatsmacht und Konzernmacht auf die Barrikaden ruft. Ein Bündel (Fascio) der Machtstrukturen wirft Anhängern einer Partei, die nirgendwo an der Macht ist, Faschismus vor. Es ist – wie so viele andere Propagandastücke in den letzten vier Jahren ein Meisterwerk der Massenmanipulation. Eine Vorführung der Macht von Soft-Power.
Grundrechts- und Demokratieverständnis der Brandmaurer
Die Organisatorin der Münchner Brandmaurer, Lisa Pöttinger, mit der ich im Dezember 2019 noch selbst eine Demo organisiert hatte, wollte mich bereits 2022 von “ihrer” Demo gegen das PAG schmeißen. Zu dieser Demo hatte auch ich aufgerufen, auch wenn ich mit der Aktionsform der Letzten Generation nichts anfangen kann. Deren Aktivisten wurden aber auf Grund des diffusen Gefährderbegriffs ins Gefängnis gesteckt, was aufgrund einer Änderung des Polizeiaufgabengesetzs möglich war. Dagegen hatte ich mich schon seit den Diskussionen um seine Einführung gewehrt. Ich mache da keinen Unterschied, ob mir die Betroffenen oder deren Unterstützer sympathisch sind. Denn entweder gelten Grundrechte für alle (wie es einmal weitgehend war), oder sie gelten für niemanden (wohin der Weg gerade zackig führt). Das ist das Prinzip und es ist sehr einfach zu verstehen, wenngleich sich manche jedoch dafür entschieden zu haben scheinen, den zweiten Weg für alle einschlagen zu wollen. Nachdem ich auf X gepostet hatte, dass hier Reden gehalten wurden, die inhaltlich auch auf jeder Demo von Coronamaßnahmenkritikern gehalten hätten werden können, schrieb die Versammlungsleiterin Lisa Pöttinger auf X, dass sie mich von “ihrer” Demo geschmissen hätte, wenn sie mich früher gesehen hätte.
Ich hatte eigentlich gehofft, damit Verständnis zu wecken, dass wir gegen die Machtstrukturen im gleichen Boot sitzen. Das tun wir aber nicht. Menschen wie Lisa Pöttinger und Brandmaurer sitzen in der Yacht der Macht und haben ein Demokratieverständnis, das eine Demokratie verunmöglicht. Sie demonstrieren faktisch gegen sich selbst. Denn auch die Versammlungsfreiheit ist wie die Meinungsfreiheit ein die Demokratie konstituierendes Grundrecht. Lisa Pöttinger wollte mir diese nehmen (auch wenn das so einfach, wie sie sich das vorstellt, natürlich gar nicht geht). Diese verfassungsfeindliche, jede Demokratie verunmöglichende und wie wir aus unserer Geschichte wissen sehr gefährliche Haltung fügt sich nahtlos ein in die Agitation reichweitenstarker Stimmungsmacher wie El Hotzo.
Es wundert daher nicht, dass die Organisatoren der Brandmaurer-Demo in München, zu der das Who-is-Who der “Guten” in München aufrief, die Band Kafvka auf die Bühne stellte. Diese Band durfte auf einer „Demo gegen Hass” (sic!) spielen auf der skandiert wurde “Ganz Deutschland hasst die AfD”. Aber nicht nur die. Es war abwechslungsreich. Auch FDP, CSU und Freie Wähler durften gehasst werden, was den ehemaligen Münchner Kulturreferenten und Kulturstaatsminister im Kabinett Gerhard Schröders, Julian Nida-Rümelin, zu einem emotionalen und empörten Beitrag auf Facebook veranlasste. Aber das war noch nicht das Höchstmaß an Hass. Die Band, die dort auftreten durfte, wo niemand auftreten dürfte, der es wagt, sich Rastalocken kulturell anzueignen, ist auch für den folgenden Text in ihrem Lied “Querdenker klatschen” (sic!) bekannt:
Querdenker klatschen
„Ne, Alter (Ah), nicht noch 'n Protestsong
Weißt du, des ist irgendwie, ah (Yeah), ich fühl' mich nicht danach.
Also klar, wär schon geil, wenn die Leute (Ah) auf den Gegendemos was hätten, aber“
Ich will, ich will, ich will...
...Ich will Querdenker klatschen (Wouh), Querdenker klatschen (Wouh)
Ich bin Pazifist, doch ich will Querdenker klatschen (Haha)
Immer noch besser (Yeah), als sie marschieren zu lassen (Yeah)
Und mit Naziparolen ein'n auf Spaziеrgang zu machen (Wouh)
Querdenkеr klatschen, Querdenker klatschen (Aha)
Querdenker klatschen, Querdenker klatschen (Ah, ah, oh)
Ich bin gegen Gewalt, doch ich will Querdenker klatschen (Yeah)
Immer noch besser, als sie glauben zu lassen, sie seien das sogenannte Volk
Glaub mir, viel lieber würd ich klatschen dafür, dass die Pflegenden endlich verdien'n, was sie verdien'n (Vielen Dank, Mann)
Und die Regierung kritisier'n, dass sie Patente blockiert
Nur weil sie davon profitiert (Hunde), ja
Glaub mir, ich hätte gern Verständnis für alle eure Ängste, heh
Doch wer, egal aus welchem Grund, paktiert mit Nazis überschreitet eine Grenze (Ist einfach so, was willst du sagen dagegen, heh?)
Du weißt, auch mir geht es dieser Tage nicht gut (Aha)
Kein Grund zu marschier'n mit Nazis und Hools
Du hast Angst vor der Impfung beim Arztbesuch
Das ist kein Grund zu marschier'n mit Nazis und Hools
Ich will Querdenker klatschen, Querdenker klatschen
Ich bin Pazifist, doch ich will Querdenker klatschen
Immer noch besser, als sie marschieren zu lassen
Und mit Naziparolen ein'n auf Spaziergang zu machen (Oh)
Querdenker klatschen, Querdenker klatschen
Ich bin gegen Gewalt, doch ich will Querdenker klatschen
Immer noch besser, als sie glauben zu lassen, sie seien das sogenannte Volk
Fick dein sogenanntes Volk
Fick dein „Wir sind das Volk“-Geschrei
Fick auf die AfD
Identitäre Bewegung, ihr Lächerlichen, Alter
Es sind überall die gleichen Nazis, die in jedes scheiß Dorf fahr'n
Um damit zu demonstrier'n und so zu tun, als wär'n sie übelst viele (Lächerlich)Ich bin gegen Gewalt, doch ich will Querdenker klatschen (Aha)
Immer noch besser, als sie glauben zu lassen, sie seien das sogenannte Volk (Tze), yo
Diese Gesellschaft hier ist nicht gespalten (Ne, ne)
Da sind ein paar Idioten, die nur an sich selbst denken und sich für zu wichtig halten (Aha)
Gegen viele Million'n, die sich für den Kollektivgedanken jetzt schon easy haben impfen lassen (Einfach so)
Und die Meisten dieser paar Idioten sind nicht neu (Ne)
Die alten Rechten haben jetzt nur noch paar Hippies überzeugt
Politik tut auf surprised, die Pegida-Methodik
Ihr wollt mit Faschos reden, doch die Faschos woll'n euch tot seh'n
Ich weiß, auch dir geht es dieser Tage nicht gut
Kein Grund zu marschier'n mit Nazis und Hools
Auch wir finden nicht alle Maßnahmen cool
Kein Grund zu marschier'n mit Nazis und Hools
Ich will Querdenker klatschen (Yeah), Querdenker klatschen (Yeah)
Ich bin Pazifist, doch ich will Querdenker klatschen (Ah)
Immer noch besser, als sie marschieren zu lassen
Und mit Naziparolen ein'n auf Spaziergang zu machen.
(Quelle: https://songtextemania.com/querdenker_kla)
Dies könnte verdeutlichen, wer auf den Bühnen der Demos gegen Hass und Hetze (!) spricht und warum sie nicht verstehen, weshalb sie mit ihrem demokratiefeindlichen Hass der AfD erst den Zulauf gebracht hat, gegen den sie dann völlig sinnbefreit andemonstrieren, obwohl es nicht die AfD ist, die all die verheerenden Zustände zu verantworten hat, sondern die Parteien und Politiker, mit denen sie gemeinsam auf die Barrikaden gehen. Das alles stimmig zusammenzubringen, muss schon ein Kunststück sein.
Wie man aber so eine Band auf eine solche Bühne einladen kann, ist mir ein absolutes Rätsel. Und ALLE der mit aufrufenden Orgas werden das gewusst haben. In dem Milieu schaut man ganz genau hin. Davon wollte man sich nicht abgrenzen. Im Gegenteil. Diese Gewalt für Menschen, die für die Grundrechte eintraten, halten diese Menschen für gerechtfertigt, was sie im Winter 2021/2022 ja auch besonders deutlich unter Beweis stellten, als wir von Lagern für Ungeimpfte nur noch einen Hauch entfernt waren. Die Feindbilder sitzen. Sie merken nichts und sie verstehen überhaupt nichts. Man kann es sich nicht ausdenken. Wenigstens wird in diesem Milieu gegendert, so dass sich alle inklusiv mitgehasst fühlen dürfen.
Gibt es Gemeinsamkeiten?
Warum ich das alles schreibe? Auch wenn ich kaum Möglichkeiten sehe, zu den Chefideologen durchzudringen, die für die Demokratie verloren sind, denke ich, dass die meisten Menschen, die dort teilnehmen, eigentlich Gutes bewirken wollen. Ihnen fehlen jedoch relevante Informationen, die die Leitmedien nicht transportieren. Die Menschen sollten sich besinnen und lernen, die Techniken der Soft-Power, die auf sie wirken, zu erkennen und zu verstehen. Aktuell haben wir in atomisierten Gruppierungen eine Verwirrung biblischen Ausmaßes. Pro-Palästinenser, Pro-Ukraine, Pro-Israel, Bürgerrechtler, vermeintliche Antifa, eine Klimaschutzbewegung, der Krieg egal ist, Querdenkerhasser und vieles mehr und das alles in den unterschiedlichsten und wildesten Mischungen, mit eigentlich zumindest partiell inhaltlichen Übereinstimmungen – jedoch ohne die Bereitschaft, dies anzuerkennen und Allianzen gegen die Gefahren zu schmieden, die aus den Zentren der Macht drohen.
Wenn wir Frieden wollen, muss die in Lager gespaltene Friedensbewegung wieder zusammenwachsen, sonst haben wir keine Wirkungsmacht. Dazu müssen sich die Menschen anschauen, was wirklich passiert und was einige Akteure machen. Passt das mit dem zusammen, was sie vorgeben zu tun? Passt Hass und Hetze wirklich, wirklich zu einer Demo gegen Hass und Hetze? Sind sie für Frieden oder faktisch gegen ihn, weil sie selbst die Bürgerbewegung spalten und klein halten und das Werk der Mächtigen verrichten? Da sollten alle mal genau hinschauen und auch in sich hineinspüren. Das gilt nicht nur für die Woken, sondern auch für die Rechten, die stramm auf der Seite Israels stehen, obwohl man die gigantischen Verbrechen, die manche als Völkermord einstufen, täglich im Livestream verfolgen kann.
Zustand der Friedensbewegung
Das möchte ich festmachen an den Demos des Bündnisses “Macht Frieden!”, einem bundesweiten Bündnis von Friedensaktivisten, das zu einem großen Teil aus der Bürgerrechtsbewegung entstanden ist. Nachdem es Jahre oder Jahrzehnte – selbst als Deutschland entgegen seinen Interessen immer weiter in den Ukrainekrieg gezogen wurde – keine großen Friedensdemos mehr gab, schaffte es das Bündnis im Februar 2023 auf dem Königsplatz in München eine Versammlung mit 25.000 Teilnehmern auszurichten und der Friedensbewegung einen neuen Impuls zu geben, so wie es auch Sarah Wagenknecht und Alice Schwarzer eine Woche später in Berlin gelang. Ein Jahr später jedoch nahmen nur noch 10 Prozent an der Demo teil. Gerade einmal 2.500 Versammlungsteilnehmer waren auf den Königsplatz gekommen, um gegen die Kriegstreiberkonferenz zu demonstrieren, obwohl sich seither nicht nur der Ukrainekrieg verschlimmert hatte und zigtausende Menschen starben, sondern auch noch der Gazakrieg nach dem Attentat vom 7. Oktober 2023 hinzugekommen war. Oder war es gerade deswegen? In meiner Wahrnehmung macht das einen großen Teil aus. Aber nicht alleine.
Die Bewerbung der Demo wurde sehr wenig geteilt im Vergleich zum Vorjahr. Dafür kann man verantwortlich machen, dass kurz vorher die Kampagne gegen “rechts” aufgrund einer Märchenerzählung (doch!) von Correctiv begann. Wer würde sich denn in einer solch aufgeheizten Atmosphäre noch trauen, eine Demo zu bewerben, die wie alles, was Regierungskritisch ist, als rechts oder antisemitisch gebrandmarkt wurde? Es gab aber auch einen Boykott aus den Reihen der Bürgerrechtsbewegung und gar eine Agitation gegen die Demo, weil einer der Redner, Jürgen Todenhöfer, auf X geschrieben habe, dass er ein AfD-Verbot befürworte. In der Lesart mancher Akteure wollte er damit einen Bürgerkrieg (sic!) in Deutschland anzetteln. So jemand dürfe nicht auf einer Friedensdemo sprechen. Es gibt jedoch gute Gründe dafür, viel mehr davon auszugehen, dass der Teilnehmerschwund und der Teil-Boykott daran lagen, dass sich Jürgen Todenhöfer für Gaza stark machte und zusätzlich eine Palästinenserin sprechen sollte (und dann auch die wohl bewegendste Rede hielt). Israel zu kritisieren, ist jedoch ein Tabu in Deutschland und selbst wenn sich die Kritik an eine rechtsradikale israelische Regierung richtete, die einen Völkermord beginge. Bei vielen ist eine derartige Kritik Hochverrat. Man hat als Deutscher hinter Israel zu stehen. Andernfalls trifft einen das schärfste Schwert – die existenzvernichtende Antisemitismuskeule. Es ist kein Wunder, dass gerade aus konservativen, rechten und liberalen Kreisen eine solche Demo nicht beworben wird.
Kaum eine Propaganda sitzt in Deutschland so tief, wie die jahrzehntelange Tiefenindoktrination der transatlantischen Freundschaft zu den USA und die Schuld gegenüber Israel, der jeder Bundesbürger von klein auf ausgesetzt ist, in der Schule, in Hollywood-Filmen, in den Leitmedien uvm. Es gibt kaum ein Entrinnen, außer man schaltet das alles konsequent ab und blickt auf die Realität. Es bleibt zu hoffen, dass in der maßnahmenkritischen Bewegung, die die Wirkung von Propaganda am eigenen Leib spüren musste, auch mehr Verständnis wächst, dass das, was in Gaza passiert, nicht zu rechtfertigen ist und die Rechtfertigung nur dadurch zu begründen ist, dass man die Realität und die wirklichen Verhältnisse und Verhältnismäßigkeit nicht erkennen kann. Es dürften dort die gleichen Mechanismen wirken. Mit solchen Ausführungen stößt man natürlich auf Ablehnung. Wer möchte sich das denn gerne eingestehen? Da ist es leichter, die Kritik an der israelischen Regierung als Antisemitismus wegzuwischen.
Was dabei aber vergessen wird: Diese Haltung und der immer mehr fehlende Mut, seine Meinung frei zu äußern und zu vertreten, wird Deutschland in den Krieg stürzen, weil es keine Friedensbewegung mit Wirkung auf die Zentren der Macht gibt.
Zielrichtung von Versammlungen
Mantraartig wiederhole ich seit Jahren, dass es für mich zwei Arten von Demos gibt. Die eine richtet sich an unsere Mitmenschen. Solange Opposition sichtbar ist, verhindert es, dass der Weg in den Totalitarismus ohne Widerstände und mit unglaublicher Geschwindigkeit passieren kann. Dies gilt es zu verhindern und Sand ins Getriebe zu streuen. Das schafft die Friedensbewegung. Man sieht dies auch an den Umfragen. Die Mehrheit wünscht sich keinen Krieg und hätte sie gespürt, was Krieg bedeutet, wären es noch weit mehr, wie unsere Zeitzeugenserie im Wir-gemeinsam-Bündnis dokumentiert.
Die zweite Art von Demonstration schafft die Friedensbewegung jedoch nicht. Diese richtet sich an die Zentren der Macht und muss diese erschüttern. Es muss deutlich werden, dass es für Deutschland keinen Weg in den Krieg gibt und es ihre Macht tangiert, die das einzige ist, um was es ihnen geht – schöne Worte hin oder her. Oft genug haben sie sich bereits als Lügen herausgestellt, wie das Wahlversprechen, keine Waffenlieferungen in Kriegsgebiete zu liefern. Eine solche Demo erreicht ihren Zweck weder mit der ersten Demo von „Macht Frieden!“ und auch nicht mit der von Wagenknecht und Schwarzer. Eine fünfstellige Anzahl an Versammlungsteilnehmern reicht hierzu bei Weitem nicht aus. Dazu braucht es eine Versammlung mit höherer sechsstelliger Zahl und es ist unbegreiflich, warum sich nicht mehr Menschen bewegt fühlen, angesichts der unmittelbaren Bedrohung durch einen Weltkrieg und dem Einzug ihrer Söhne, an einer großen Friedensversammlung teilzunehmen.
Aufbruch einer neuen Friedensbewegung?
Mir ist bewusst, dass dieser Text auf den ersten Blick nicht geeignet scheint, um die Wogen zu glätten und vielleicht hätte ich diese Absätze ganz an den Anfang setzen sollen, weil viele schon ausgestiegen sind. Der Text soll aber nicht provozieren. Er soll viel mehr dazu anzuregen, über sich nachzudenken. Warum ist es mir nicht möglich, an einer großen Versammlung für den Frieden teilzunehmen? Weil dort Menschen sind, die meiner Weltanschauung widersprechen oder deren Weltanschauung ich widerspreche? Was kann passieren, wenn ich mich voll von Machtstrukturen vereinnahmen lasse und denke, gigantisches zu bewirken wie die „Demos gegen rechts“? Wirke ich immer noch gegen die Machtstrukturen, wenn ich von ihnen hofiert werde oder erkennt man wirkliche Opposition nicht eher daran, dass man von ihnen bekämpft wird – so wie die neue Friedensbewegung?
Kann es denn wirklich sein, dass man sich von dem ganzen Empörungsmanagement und von allen Soft-Power-Techniken so vereinnahmen lässt, dass es kein Eintreten für ein gemeinsames großes Ziel – Frieden – gibt? Welche Rolle spielt es auf einer Friedensdemo mit konkreten Forderungen, ob sich jemand für oder gegen das Gendern entscheidet, ob er denkt, es gäbe nur zwei Geschlechter oder 72, ob er geimpft ist oder ungeimpft, ob er links, rechts oder sonstwas ist. Das hat in den 80er-Jahren niemanden interessiert. Muss ich wirklich mit jedem einzelnen Wort eines Redners auf einer Demo zu hundert Prozent übereinstimmen, andernfalls seine Rede und er vollumfänglich abzulehnen sind, selbst wenn es Worte in einem anderen Kontext und in einem anderen Format waren? Es sind fremde Gedanken und Gefühle, die übernommen haben. Sie wurden den Menschen eingetrichtert und eingepflanzt mit ausgeklügelten Techniken. Spaltung ist ein Herrschaftsinstrument. Nirgendwo sieht man das deutlicher als am aktuellen Zustand der mittlerweile atomisierten Gesellschaft und der Friedensbewegung.
Damit möchte ich wieder zum Beginn des Textes kommen. Wir sollten die Spaltung überwinden und wir sollten auch wieder lernen, andere Meinungen zu ertragen. Man braucht sie nicht übernehmen. Man kann ihnen inhaltlich auch scharf widersprechen, jedoch in einer Form, die Frieden ermöglicht. Das geht nicht in den sozialen Medien, wo alles auf Polarisierung ausgerichtet ist. Das geht im direkten Gespräch. Wir üben hier in München Demokratie in Debattenräumen. Und in solchen Gesprächen zeigt sich dann, dass ein Ungeimpfter gegen die Zustände in Gaza sein kann und trotzdem gegen unkontrollierte Migration oder umgekehrt.
Es wird sich zeigen, ob in Deutschland wirklich noch einmal eine Friedensbewegung entstehen kann, wie wir sie aus den 1980er Jahren noch kennen. Das Bündnis “Macht Frieden!” hat die Bewerbung für die Demonstration gegen die Kriegstreiberkonferenz im kommenden Jahr begonnen. Am 15. Februar 2025 wird sich um 14 Uhr auf dem Königsplatz in München zeigen, ob es gelingt, ein so großes Zeichen für den Frieden zu setzen und ihn mit so vielen Stimmen zu fordern, dass die Bundestagswahl eine Woche später zur Friedenswahl wird, zu dem sie das Bündnis ausgerufen hat.
Redet mit anderen darüber und schließt Euch mit ihnen zusammen. Schreibt Texte oder macht Videos, warum es eine Friedensbewegung braucht, was Euch bewegt, am 15.2.25 zur Versammlung zu kommen. Sorgt für Bewegung. Für eine Friedensbewegung. Wir sehen uns auf der Straße!
Ich würde mich über eine Unterstützung meiner Arbeit freuen. Die Möglichkeiten sind hier aufgelistet: https://indikativ.jetzt/unterstuetzen/