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Kühlen Kopf bewahren

Eine Tageszusammenfassung der Berichterstattung zum aktuellen Hitzekollaps auf Twitter. Eine Berichterstattung, die mehr als kontraproduktiv ist, wenn man etwas zum Positiven wenden will. Lektionen aus der Coronakrise wurde nicht gelernt. Wir leben weiter in einer Medienkrise.

Karl Lauterbach fordert, die Kirchen als Kälteräume während der Hitzewelle geöffnet zu lassen. Er selbst weilt in der Toskana im Urlaub. Bevor er dort hinfuhr warnte er noch vor der künftigen Unbewohnbarkeit des Südens und den Horrortemperaturen – gerne mit 48 Bodentemperatur.

Währenddessen verkommen Krankenhäuser, wird die Gesundheitsversorgung immer schlechter, wichtige Medikamente fehlen, es gibt eine dramatische Übersterblichkeit, horrende Impfschäden und traumatisierte Kinder. Der Gesundheitsminister hat seit Wochen jedoch andere Prioritäten.

Im ZDF mittagsmagazin verkündet Jana Becker, dass es nachmittags heißer ist als vormittags:

Luisa Neubauer findet nicht gut, dass Bilder aus Freibädern 60.000 Hitzetote verharmlosen.

Und in Münster haut es ein Faultier wegen eines Hitzekollapses vom Stangerl:

„Die Faultiere sind hauptsächlich im zentralen und nördlichen Südamerika und in Teilen Mittelamerikas sowie auf einigen Inseln der Karibik verbreitet. Sie bewohnen tropische Regenwälder des Flachlands“ – kommentiert jemand darunter.

Währenddessen reproduziert die Medizinerin Dr. Katja Kühn von Health for Future die Aussage des Komikers Eckhart von Hirschhausen, dass die Erderwärmung unsere Hirne kochen wird und das Eiweiß wie in gekochten Eiern zum Stocken bringen wird.

Leser versehen den Tweet des Greenpeace-Campaigners Karsten Smid mit einem Faktencheck:

„Bei einem gesunden Menschen kommt es auch bei Lufttemperaturen über 42°C nicht zu einer Zerstörung des Gehirns. Sonst wäre jeder Saunabesuch tödlich. Durch die beim Schwitzen entstehende Verdunstungskälte wird die Körpertemperatur relativ konstant bei 36,8°C gehalten.“ 

Zur Sicherheit schüttet sich ORF-Nachrichtenmann Armin Wolf während der Nachrichtensendung eine Flasche Wasser über den Kopf und das beschreibt den Zustand des öffentlich-rechtlichen Fernsehens eigentlich recht gut.

Alexander Wendt vom PublicoMag versucht währenddessen, erfolglos ein Ei 20 Minuten lang sogar bei 45 Grad zum Stocken zu bringen und reagiert ob der ausbleibenden Veränderung selbst schon fast verstockt. 

Wieder andere User fragen sich nach den Erfahrungen der Coronakrise, welche Eier das bei den Deutschen überhaupt sein sollen.

Andere machen sich lustig darüber, dass jedes einzelne Land der Welt sich schneller erwärmt als der Durchschnitt.

Und während die öffentlich-rechtlichen Medien Bilder von feuerroten bis schwarzen Gluthöllen posten, 

veröffentlichen dutzende User die Bildschirmfotos ihrer Handyapps mit 20-22 Grad und Regen.

Die NZZ fasst den ganzen Irrsinn zusammen:

Dazu einige Schlagzeilen aus «20 Minuten», publiziert innerhalb von wenigen Tagen: «Hitzewelle rollt an», «Grüne fordern Massnahmen gegen Hitze», «die ausgefallensten Ideen gegen die Hitze» (Highlights: Sonne verdunkeln, Wolken impfen), «So macht Sex auch während der Hitzewelle Spass» (wichtigster Tipp: auf die Missionarsstellung verzichten, wegen zu grosser Reibeflächen), «Darum solltest du trotz Hitze nicht nackt schlafen», «Wie grosszügig ist dein Arbeitgeber oder deine Schule bei dieser Hitze?», «Die Hitze lässt Mauersegler-Küken aus den Nestern fallen», oder: «Forschende besorgt – die Hitze könnte uns blind machen».

Allein in den letzten vier Wochen wurden in der Schweizer Mediendatenbank Hunderte Artikel registriert, welche die Begriffe «Hitze» und «Sommer» enthalten. Wie viel Sonne ist gesund? Was soll man essen? Was können wir tun, um uns anzupassen? Wie reagieren Eichhörnchen auf die Hitze? Und wie erfrischt sich eigentlich die Polizeihündin Paya? All diese Fragen beschäftigen die Medien, vom «Blick» über die «Bild» bis zu SRF und NZZ.

Abkühlung durch ein Eis ist währenddessen für Frauen auch nicht mehr drin, möchten sie nicht die ohnehin angespannte Situation auch außerhalb mancher Freibäder unnötig eskalieren lassen.

Da können wir nur hoffen, dass die Risikosportler, die ihr Ferienglück wie üblich in Italien, Spanien oder gar noch weiter südlich gesucht haben, auch lebend wieder zurückkehren – vor allem unser Gesundheitsminister. Was sollten wir ohne ihn nur tun?

Es wird wieder übertrieben und wieder versteht man nicht, dass man dadurch Reaktanz schafft und dieses Mal bei noch mehr Menschen. Es steht zu befürchten, dass in einem erneut geschaffenen Klima der Angst, nichts für’s Klima getan wird (sofern das überhaupt in unseren Möglichkeiten steht), sondern für Oligarchen und in einem neuerlichen Oligarchieexzess Unmengen Geld von unten nach oben geschaufelt werden. Man könnte so viel tun, um das Leben für so viele besser zu machen. Davon ist jedoch aktuell nichts zu erkennen. Es ist das Gegenteil der Fall. Das Leben wird für Millionen Menschen schlechter und unerschwinglich, ohne dass etwas für die Ökosphäre gewonnen wäre.

Ärgerlich ist das insbesondere für diejenigen, die sich für Demokratie und die Ökosphäre einsetzen. Denn es gibt genug Probleme, die man angehen sollte. So ist jedoch zu befürchten, dass die Ablehnung auch für Sinnvolles wächst. Die Leute lassen sich nicht gerne veralbern und das ist – insbesondere nach den letzten 3 Jahren – verständlich. Vor allem besteht die berechtigte Sorge vor der Installation eines totalitären Systems, das die Bürger bis in den kleinsten privaten Bereich überwacht und kontrolliert und viele Menschen dies aus Angst, morgen zu verglühen, bereitwillig mittragen. Man kann nur an die Vernunft appellieren, keine überhitzten Entscheidungen zu treffen. Jede Transformation muss demokratisch, ökologisch und gerecht sein. Das ist die Messlatte.