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Heinz Bude und der Umbau der Gesellschaft

Gestern habe ich ein Video aus einer Diskussionsveranstaltung zur Aufarbeitung der Coronakrise geschnitten. Die Diskussionsveranstaltung fand bereits am 24. Januar 2024 an der Universität Graz statt unter dem Titel “Gesellschaft im Ausnahmezustand – Was lernen wir aus der Coronakrise?“. Auf dem Podium waren Heinz Bude (Uni Kassel), Alexander Bogner (ÖAW Wien) und Klaus Kraemer (Uni Graz). Moderiert wurde die Diskussion von Daphne Hruby (freie Mitarbeiterin beim ORF).

Der Videoausschnitt (Transkript siehe unten im Anhang) wurde sehr breit geteilt, denn es enthielt geradezu ungeheuerliche Aussagen des Soziologen Heinz Bude. Die Journalistin Aya Velazquez schrieb am 3. November 2022 zu ihm:

„Heinz Bude war der einzige Soziologe in der berüchtigten COVID-19 Task Force des Bundesministerium des Inneren. Kürzlich meldete er sich mit einem verstörenden, retrospektiven Aufsatz im Magazin der Deutschen Gesellschaft für Soziologie zu Wort: Er reflektierte darin sowohl seine Tätigkeit bei der Task Force als auch bei der No-COVID-Initiative, welche forderte, die Welt zur Pandemiebekämpfung in rote, gelbe und grüne Zonen einzuteilen.

Budes Fehlerbewusstsein im Hinblick auf die von ihm empfohlenen Maßnahmen: Gleich Null. Wie sich die verantwortlichen Protagonisten der Corona-Maßnahmenpolitik heute reinwaschen wollen.“

https://ayavela.substack.com/p/im-maschinenraum-des-heinz-bude

Die Mainzer Rechtsanwältin Jessica Hamed kommentierte teilte meinen Tweet mit dem Video mit folgendem Kommentar (Ausschnitt):

“Heinz #Bude, ein Autor des Panikpapiers, zeigt keinerlei Einsicht bezüglich der unzulässigen staatlichen Manipulation der Bürgerinnen & Bürger und ist offenbar nach wie vor der Ansicht, dass diese Art der „Angstkommunikation“ ein probates staatliches Mittel ist, um eine „Folgebereitschaft“ zu erreichen.

Das #Panikpapier des BMI, „in dem schon zu Beginn der Krise dazu geraten wurde, der Bevölkerung Angst zu machen und vor allem auf Kinder einzuwirken, [ist] in der Presse nie dem skandalösen Inhalt angemessen thematisiert worden“. Darauf wies ich 01/21 in der @fr hin:”

https://www.fr.de/politik/corona-lockdown-kritik-pflegeheime-rechtsstaat-jessica-hamed-rechtsanwaeltin-90164734.html

Ich kann jedem empfehlen, sich diese und generell derartige Sendungen und Diskussionen anzusehen. Die Akteure verraten dabei sehr viel mehr über sich, als sie dies vielleicht wollen. Mag es Eitelkeit sein oder Unvorsichtigkeit. Jeden der Sätze von Heinz Bude in dem ersten Video könnte man für sich sezieren. Woher weiß er beispielsweise, dass wir wieder Kriege in Europa haben werden? Mit anderem politischem Personal und einer Rückkehr zur Diplomatie wäre das keine alternativlose Zukunft. Auch sein Verständnis zur Steuerung von Gesellschaften ist erschütternd. Die Soziologin Dr. Mona Aranea kommentierte dies auf Telegram wie folgt:

“Die Stimme des Faschismus

„Hört genau hin. “Soziologe” Heinz Bude entlarvt sich endgültig als Anhänger der faschistischen Verhaltensökonomie.

Die Soziologie ist die Lehre vom kollektiven Handeln, also vom menschlichen Verhalten in (großen) Gruppen. Sie erforscht Bedingungen und Hindernisse sozialer Kooperation.

Die Verhaltensökonomie ist die Wissenschaft der Manipulation individuellen Verhaltens (“Nudging”), im Interesse und im Sinne der Herrschenden (die sich selbst für “die Gesellschaft” halten). Es geht um die Unterwerfung des Individuums unter den Willen der herrschenden Klasse.

Die Verhaltensökonomie ist sozusagen der böse Zwilling, oder die Pervertierung, der Soziologie. Heinz Bude personifiziert wie kaum ein anderer deutscher Intellektueller die Pervertierung der Wissenschaft als Claqueure des neuen deutschen Faschismus.

Für echte Soziologen ist im Faschismus kein Platz. Um absolute Herrschaft durchzusetzen muss jede Form freier kollektiver Organisation unterbunden werden. Kooperation muss begrenzt werden auf die herrschende Klasse. Der Rest spielt Hungerspiele.“

Das erste Video wurde mehrere hunderttausend Mal geteilt. Ich habe daher auf Grund des Interesses noch einen weiteren Ausschnitt aus der Sendung kopiert und möchte damit zu einem genauen Hinhören anregen und generell dazu animieren, sich eine entsprechende Haltung anzueignen, wenn man sich Derartiges anhört. Es ist sinnvoll, sich stets zu vergegenwärtigen, wo diese Sendung stattfindet, welches Medium sie transportiert, wer etwas sagt, wie er es sagt und vor allem natürlich ganz genau, was er sagt. Als Beispiel soll das Eingangsstatement von Heinz Bude dienen, der gleich das erste Wort hatte, um die Diskussion inhaltlich zu eröffnen. Zunächst hier das Video (gesamtes Transkript im Anhang):

Dies ist besonders bemerkenswert. Es handelt sich hier nicht um ein spontanes, narzissitisches Plaudern aus dem Nähkästchen, in das er im ersten Video im Verlauf des Gesprächs aus Eitelkeit zu verfallen schien. Es ist ein bereitgelegter Text. Es ist sein Eingangsstatement, mit dem er seine Punkte für die Diskussionsveranstaltung setzen will. Man darf davon ausgehen, dass er jedes Wort, jeden Satz bewusst gewählt und abgewogen hat. Dies gilt auch für die Reihenfolge:

„Vor einiger Zeit habe ich mit einem Spiegelredakteur gesprochen, der immer so ein bisschen die rechtspopulistischen Kreise im Blick hat und sagte, bei denen müsse er doch feststellen, sei vielleicht das Corona Thema wichtiger in ihrer Extremisierungstendenz als das Migrationsthema.“

Der Soziologe Heinz Bude, der den “Madagaskarplan” der Nazis in einen Kontext zum Umgang mit Ungeimpften setzte, eröffnet die Diskussion gleich mit dem ersten (!) Satz aus meiner Sicht bewusst damit, dass er die Kritik an den Coronamaßnahmen in ein rechtes Eck stellt, nachdem alles, was von rechts kommt, in Folge der Correctiv-Medienkampagne als verachtenswert gilt. Man soll die Kritik an der Regierung nicht einmal mehr mit spitzen Fingern anfassen.

Es gehörte nicht viel Weitblick dazu, genau das mit dem Aufkommen der sog. „Demos gegen rechts“ in Folge der Correctiv-Medienkampagne zu prognostizieren. Jegliche gemeinwohlorientierte Kritik, die sich gegen die Zentren der Macht richtet, soll verunmöglicht werden.

So schrieb ich bereits am 19. Januar 2024 auf X (vormals Twitter): “Das neue Narrativ wurde mit so gigantischer Wucht in die Köpfe gedrückt, dass es so fest sitzt wie bei Corona und Ukraine. Nun werden auch die Forderungen nach Aufarbeitung und Frieden noch mehr unter dem Verdacht der rechten Unterwanderung stehen. Ich bin ernsthaft beeindruckt.”

Heinz Bude rückt hier die Kritik an den Coronamaßnahmen nicht nur nach rechts, sondern insinuiert eine zunehmend rechtsextreme (!) Gesinnung, die noch über das Migrationsthema hinausgehe. Damit setzt er gleichzeitig Bürgerrechtler in einen Kontext von Pegida. Ein Einstehen für Grundrechte soll noch unappetitlicher sein als Ausländerfeindlichkeit. Es ist sein erster Satz. Er ist so bewusst gewählt wie der Schlusssatz seines Eingangsstatements, mit dem er affirmativ den perfekten Rahmen setzt und das Publikum einnordet:

„Noch mal: Der Ausgangspunkt ist die Zunahme von Rechtspopulismus, wenn nicht gar Systemskepsis oder sogar Systemfeindschaft in allen westlichen Gesellschaften. Und wir wissen nicht mal, ob das wie das in den USA in diesem Jahr ausgeht. Wir müssen ernsthaft darüber nachdenken, ob Corona ein Brandbeschleuniger in der Extremisierung von Systemskepsis gewesen ist.“

Es ist auch nicht ganz beiläufig, dass er Begriffe wie Systemfeindschaft verwendet und den Bogen auch noch zu Donald Trump spannt, der in der öffentlichen Meinung als verachtenswert und gefährlich zu gelten hat. Namentlich erwähnen muss er ihn nicht. Jeder weiß, was gemeint ist. Kritik an den Corona-Maßnahmen der Regierung, die er beraten hat und für die er durch das sog. Panikpapier hauptverantwortlich zeichnet, sollen demnach systemfeindlich sein, ein Brandbeschleuniger für eine Extremisierung und irgendwas mit Trump. Alles in einem Satz. Das ist mal Einsatz.

Budes darauf folgender erster inhaltlicher Punkt ist eine Umdefinierung der Grundrechte, wie sie auch bereits von ganz oben abgesegnet wurde. So äußerte sich der derzeitige Präsident des Bundesverfassungsgerichts Stephan Harbarth schon früh zu Beginn der Coronakrise im Mai 2020 wie folgt:

„Die Grundrechtsausübung geschieht in Corona-Zeiten teilweise in einer anderen Weise als vor der Pandemie…Die Grundrechte gelten, aber sie gelten anders als vor der Krise.“

Es passt also auch in die Zeit und zur Festigung dieser Deutung, wenn Heinz Bude ausführt, dass ein Grundrecht auf Gesundheit im Sinne des PublicHealth- und wohl auch OneHealth-Ansatzes als ein Anspruchsrecht gegenüber dem Staat und der Gesellschaft mehr Bedeutung hat, als Freiheitsrechte des Einzelnen, von denen Kritiker der Coronamaßnahmen irgendwie zu Unrecht und wohl etwas hysterisch dachten, sie hätten keine Bedeutung mehr:

Heinz Bude: „Und heute gehört zu den sozialen Wohlfahrtsrechten auch das Recht auf Gesundheit. Großes Thema über Public Health und ich habe den Eindruck, die Coronakrise hat das alles völlig durcheinander gebracht, dass viele Leute dachten, dass der erste, also die individuellen Freiheitsrechte auf der Strecke bleiben und eben in der Dominanz der sozialen Wohlfahrtsrechte unter dem unter dem Deckmantel der Gesundheit im Grunde Basisrechte der bürgerlichen Verfasstheit unserer Gesellschaft ausgehobelt werden.

Das stimmt so natürlich nicht und damit widerspreche ich beiden Koryphäen in ihren jeweiligen Fachdisziplinen. Grundrechte gelten nach wie vor, wie sie immer galten und gerade in Zeiten der ständigen Umdeutung, die bereits viele Menschen verinnerlicht haben und die Durchsetzung ihrer Interessen mittels Grundrechten durch den Staat fordern, muss man dagegenhalten und immer wieder betonen: Gundrechte sind primär als Abwehrrechte der Bürger gegen einen übergriffigen Staat ausgestaltet und dienen dazu, ihn bei derlei Ansinnen in die Schranken verweisen und auf Verhältnismäßigkeit zurückstutzen zu können. Sie verhindern die Tyrannei der bewusst in Panik versetzten Mehrheit über eine rationale Minderheit. Sie sind die wahre Brandmauer gegen den Faschismus. Sie sind die roten Linien, die der Bundeskanzler für ungültig erklärt hat. Dessen nicht gerade verfassungsfreundliche Aussage widerspricht dem ewig gültigen Bestand dieser Grundrechte und in dem Licht muss auch Budes dritter Punkt betrachtet werden:

Und das Dritte, was ich gelernt habe, ist: Ich habe den Irrsinn unserer Gesellschaft unterschätzt. Ich habe, man kann es auch positiver sagen, die Einbildungskraft der Leute…Es gibt da viel Verrücktheiten und ich glaube also nach meiner Ansicht Verrücktheiten. Aber ich glaube, moderne Gesellschaften tun gut daran, zumindest dieses Problem sich zu stellen, wie man Irrsinn absorbieren kann, ohne ihn sozusagen zu neutralisieren. Was macht man mit dem Irrsinn der Leute? Man kann ihnen nicht ausreden und sagen „Es ist alles Unsinn, was er sagt“. Das hilft nichts, da glauben Sie noch mehr daran. Was macht man mit dem Irrsinn?

Ich mache es an dieser Stelle kurz: Das ist genau das, was sich viele Kritiker der Coronamaßnahmen fragen, denn die Befürworter haben nichts in der Hand. Sie stehen völlig nackt da. Sie haben nicht mit Schweden gerechnet, das im Vergleich zu Deutschland blendend da steht und sie haben nicht mit der relativen Wirkungslosigkeit bei vergleichsweise verheerender Nebenwirksamkeit der Transfektion (auch „Impfung“ genannt) gerechnet. Und sie geben sich nun völlig überrascht von den verheerenden Auswirkungen der Coronapolitik auf Kinder, Jugendliche und junge Menschen. Die Kritiker hatten in allem Recht. Es wäre allerdings verheerend für die Konstrukeure des Narrativs, wenn dies bis zu denen durchdränge, die noch immer an die offizielle Version glauben, wie sie ihnen vor allem durch den öffentlich-rechtichen Rundfunk bis heute seriviert und perpetuiert wird. Aus diesem Grunde muss es auch noch einmal hier bestätigt und einsortiert werden: Kritiker der Coronamaßnahmen sind Irre.

Abschließend der zweite Punkt von Budes Ausführungen im Eingangsstatement:

„Der zweite Punkt, den ich gelernt habe, ist, dass es ein ein Dilemma gibt aus einem Begriff, der im Grunde aus dem Neoliberalismus stammt. Das ist der Begriff der Selbstwirksamkeit. Leute wollen alle irgendwie wirksam werden, und ihre Vorstellung von einem guten Leben hängt oft daran.“

Über diesen Punkt würde es sich vermutlich lohnen, ein ganzes Buch zu schreiben und über den Sinn des Lebens zu reflektieren. Aber hier soll nicht reflektiert werden. Auch hier geht es um die Prägung gewünschter Meinungen. Selbstwirksamkeit hat in einem fürsorglichen Staat natürlich nichts zu suchen, in dem gemacht werden soll, was angeschafft wird. Zum Wohle aller, versteht sich. Von denen, die wissen, was das Richtige ist. Auch wenn sie mit allem falsch liegen und ein mit unserer Historie bereits überwunden geglaubtes Menschenbild zu haben scheinen. Selbstwirksamkeit ist jetzt neoliberal, also auch irgendwie rechts. Das wird beispielsweise der Klimabewegung gar nicht auffallen. Sie werden es abnicken wie alles in den letzten Jahren und nicht merken, dass sie selbst jahrelang Menschen motivierten, für „ihre“ Belange einzustehen und eine emanzipatorische Selbstwirksamkeit zu kommen.

Wir sollten wachsam sein, bei all diesen Umdeutungen, die nur einem Zweck dienen: Die Macht zu schützen und zu stützen und Kritik zu verunmöglichen. Dies passt in ein gleichzeitig ausgerolltes Instrumentarium zur Einschränkung der Meinungsfreiheit wie das Demokratiefördergesetz aus dem Hause Lisa Paus und der 13-Punkte-Plan der Innenministerin Nancy Faeser. Berater wie Heinz Bude, die oft im Hintergrund agieren, sind äußerst gefährliche Leute. Es ist notwendig, dass sie mit ihren Aussagen – wie hier – ins Licht der Öffentlichkeit gezerrt werden. Noch weitaus notwendiger wäre es jedoch, dass einen Text wie diesen nicht irgendwer, sondern ein Leitmedium verfasst und zwar in einen Stakkato, wie wir es beispielsweise bei der Berichterstattung über den Rammstein-Sänger Till Lindemann erlebt haben. Weil dies seit Beginn der Coronakrise kaum passiert und nur die Wenigsten wissen dürften, wer dieser Heinz Bude ist, zeigt es erneut und beispielhaft den Kern all der Krisen unserer Zeit: Die gigantische Medienkrise.

(Wer meine Arbeit unterstützen kann und möchte, kann dies gerne per Überweisung tun: Jürgen Müller, Sparkasse Schwaben-Bodensee, DE32 7315 0000 0190 9977 42)

Transkript Video 1 – Folgebereitschaft:

Heinz Bude: Jetzt noch einmal aus dem Nähkästchen geplaudert. Wir haben gesagt, wir mussten, wir müssen ein Modell finden, um Folgebereitschaft herzustellen, das so ein bisschen wissenschaftsähnlich ist. Und das war diese Formel „Flatten the curve“, dass wir gesagt haben „Wie können wir die Leute zu überzeugen, mitzutun?“ Wir sagen denen, es sieht so nach Wissenschaft aus, ne? Man sagt, „wenn ihr, wenn ihr schön diszipliniert seid, könnt ihr die Kurve verändern“. Das heißt quasi man kann – es gibt eine Veranschaulichung von individuellen Verhaltensveränderungen in einer Art von wissenschaftlicher Darstellbarkeit. Das war in dieser, in dieser Form mit drin. Das haben wir geklaut von einem Wissenschaftsjournalisten haben wir nicht selber erfunden. Aber wir fanden das irgendwie toll, dass man so, also dass man so ein quasi Wissenschaftsargument noch in der Art der Erzeugung von… (Heinz Bude wird an dieser Stelle unterbrochen. Der weitere Redebeitrag setzt wenige Minuten später wieder ein)

Also das ist glaube ich jetzt ein ganz wichtiger Punkt. Meiner Ansicht nach laufen wir auf wieder singuläre Krisen absehbar hinaus. In unserer gesellschaftlichen Entwicklung. Nehmen wir nur Extremwetterereignisse und singuläre Krisen, die ich vor Augen sehe, werden damit zu tun haben, dass man auf individuelles Verhalten zugreifen muss. Also indem etwa bei Extremwetterereignissen wird man Leute evakuieren müssen. Man wird Leuten sagen müssen, Du kannst dein Haus nicht mehr an dieser Stelle aufbauen. Und man wird Zwang ausüben müssen auf Leute, die sagen, ich habe aber andere Informationen, ich lasse mich hier nicht evakuieren. Und zwar legitimen Zwang. Wir werden mit Situationen vermehrt zu tun haben in der Zukunft. Solche Art von Krisen, die individuelle Verhaltensveränderungen verlangen, wenn man den Krisen als Gesellschaft in kollektiver Handlungsfähigkeit standhalten will. Und das ist das entscheidende Argument. Können wir das überhaupt in einer modernen liberalen Gesellschaft? Geht das eigentlich? Und muss man da nicht hinterrücks ganz furchtbare Dinge wie Angstkommunikation, also sozialpsychologische Dinge benutzen, um solche Arten von Folgebereitschaften zur Veränderung von individuellem Verhalten vorzunehmen? Das ist ein Unterschied, als ob man eine Krise wie 2008/2009 durch eine Stellschraubenveränderung in Bezug auf die Finanzmärkte lösen kann. Das ist eine andere Sorte von Krisenlösung. Die Krisenlösungen, die uns bevorstehen, haben den Charakter von Kriegen, sie haben den Charakter von Pandemien, und die haben den Charakter von Extremwetterereignissen. Das ist absehbar. Auch Europa wird in mittlerer Frist noch wieder Kriege haben. Und da sind die Dinge, wo man sich überlegen muss, Welche Art von Vorratsreflexion sozialwissenschaftlicher Art braucht man auf diese absehbare Herausforderung, die vor uns steht? Und das finde ich ziemlich interessant.

Daphne Hruby: Und wer entscheidet dann die Legitimation und die Verhältnismäßigkeit? Nur eine Frage. (Reaktion Bude) Nein, nur eine Frage. Weil wenn solche Aussagen von einem Viktor Orban kommen würden, dann würden morgen alle europäischen Zeitungen sagen, dass wir morgen eine Diktatur…Ich will jetzt nicht Viktor Orban verteidigen. Ich. Ich will es nur… Ist das nicht ein gefährlicher Grad, denn wer entscheidet, was das Richtige ist?

Transkript Video 2 – Eingangsstatement:

Heinz Bude: Vor einiger Zeit habe ich mit einem Spiegelredakteur gesprochen, der immer so ein bisschen die rechtspopulistischen Kreise im Blick hat und sagte, bei denen müsse er doch feststellen, sei vielleicht das Corona Thema wichtiger in ihrer Extremisierungstendenz als das Migrationsthema. Und er fragte mich, ob ich da eine Erklärung für habe, wie das eigentlich kommt. Und darauf beziehen sich meine drei Schlussfolgerungen, die ich aus der Corona – meiner Behandlung und wie ich mich mit der Corona Krise engagiert habe, gezogen habe.

Der erste Punkt ist, dass ich unterschätzt habe, dass die Coronakrise, die drei Grundrechte, über die wir alle verfügen, also das Cocktail der Rechte, ziemlich durcheinander gebracht haben. Wir haben individuelle Freiheitsrechte, wir haben soziale Beteiligungsrechte und wir haben soziale Wohlfahrts- und – politische Beteiligungsrechte und soziale Wohlfahrtsrechte. Und heute gehört zu den sozialen Wohlfahrtsrechten auch das Recht auf Gesundheit. Großes Thema über Public Health und ich habe den Eindruck, die Coronakrise hat das alles völlig durcheinander gebracht, dass viele Leute dachten, dass der erste, also die individuellen Freiheitsrechte auf der Strecke bleiben und eben in der Dominanz der sozialen Wohlfahrtsrechte unter dem unter dem Deckmantel der Gesundheit im Grunde Basisrechte der bürgerlichen Verfasstheit unserer Gesellschaft ausgehobelt werden. Ich habe die Irritation in dem Cockpit dieser drei Rechtselemente unterschätzt. Ich habe immer gesagt, das ist doch klar, das Erste. Ist auf einmal nicht so klar.

Der zweite Punkt, den ich gelernt habe, ist, dass es eine ein Dilemma gibt aus einem Begriff, der im Grunde aus dem Neoliberalismus stammt. Das ist der Begriff der Selbstwirksamkeit. Leute wollen alle irgendwie wirksam werden, und ihre Vorstellung von einem guten Leben hängt oft daran. Jedenfalls sagen sie, dass sie Wirksamkeitserfahrungen, Selbstwirksamkeitserfahrungen machen können. Und das ist ein Dilemma. Denn wenn man selbstwirksam sein will, heißt das noch nicht, dass andere das auch richtig finden, wie man selbstwirksam ist. Das heißt, die Selbstwirksamkeit kann immer an Grenzen stoßen, wenn es um die soziale Resonanz meiner persönlichen Selbstwirksamkeit geht. Und das ist ein Dilemma, weil nämlich Selbstwirksamkeit immer ausgelegt ist auf andere. Und man kann noch so toll finden, dass man selbstwirksam sein will, die anderen haben einen Anteil daran, ob das überhaupt klappt mit der Selbstwirksamkeit.

Und das Dritte, was ich gelernt habe, ist: Ich habe den Irrsinn unserer Gesellschaft unterschätzt. Ich habe, man kann es auch positiver sagen, die Einbildungskraft der Leute. Das heißt auch Einbildungskraft. Es gibt viel. Die Menschen denken sich allerlei über die Welt zusammen, und die Soziologie ist auch nur eine Art und Weise, sich über die Welt irgendwas zusammenzudenken. Und ich glaube, die Idee, dass die Einbildungskraft nur dem Gesetz der Rationalität gehorcht, falsch ist. Es gibt da viel Verrücktheiten und ich glaube also nach meiner Ansicht Verrücktheiten. Aber ich glaube, moderne Gesellschaften tun gut daran, zumindest dieses Problem sich zu stellen, wie man Irrsinn absorbieren kann, ohne ihn sozusagen zu neutralisieren. Was macht man mit dem Irrsinn der Leute? Man kann ihnen nicht ausreden und sagen „Es ist alles Unsinn, was er sagt“. Das hilft nichts, da glauben Sie noch mehr daran. Was macht man mit dem Irrsinn? Und das ist ein interessanter Punkt.

Noch mal: Der Ausgangspunkt ist die Zunahme von Rechtspopulismus, wenn nicht gar Systemskepsis oder sogar Systemfeindschaft in allen westlichen Gesellschaften. Und wir wissen nicht mal, ob das wie das in den USA in diesem Jahr ausgeht. Wir müssen ernsthaft darüber nachdenken, ob Corona ein Brandbeschleuniger in der Extremisierung von Systemskepsis gewesen ist.