Sehr geehrter Herr Oberbürgermeister Reiter,
wir kennen uns persönlich. Im Team um “München muss handeln” haben wir vor der Kommunalwahl in München am 27. Februar 2020 die Oberbürgermeister-Kandidaten auf’s Podium in der Reithalle geladen. Es dürfte die letzte Veranstaltung der vor-Corona-Zeit gewesen sein. Wir haben allen drei Kandidaten einen Vertrauensstein überreicht und damit symbolisch unser Vertrauen ausgesprochen. Einen der drei Steine habe ich höchstpersönlich überreicht. Seither wurde leider viel Vertrauen in demokratische Institutionen verspielt und ein sozialdemokratischer Kanzler ruft die Abschaffung aller roten Linien aus, nachdem es bereits zuvor schon zu noch nie dagewesenen Einschränkungen der Grundrechte gekommen war, wie der Bay. Verwaltungsgerichtshof feststellte.
Am vergangenen Mittwoch, den 15.12., war ich einer der Redner auf dem Podium bei „München steht auf“. Ich habe eine friedliche Versammlung erlebt mit den unterschiedlichsten Menschen von jung bis alt. Was einen eher kleinen Bruchteil der Versammlungsteilnehmer bewogen haben mag, nach dem Ende der Versammlung friedlich durch die Stadt zu spazieren, kann ich nicht beurteilen. Es wäre sicherlich nicht dazu gekommen, wenn ein Demozug wie gestern in Nürnberg ermöglicht worden wäre, mit großen Abständen und ohne Masken – ein pandemiekonformer, friedlicher und auflagenkonformer Demozug.
Weder ich noch der gesamte vordere Teil der Veranstaltung hat etwas davon mitbekommen, was am anderen Ende dieser riesigen Versammlung geschah. Es nahm eine deutlich fünfstellige Zahl Menschen an der Versammlung teil. Die BILD spricht von 35.000. Ich selbst spreche mangels konkreter Zahlen lieber von deutlich über 10.000. Von der Polizei soll zwischenzeitlich die Zahl 15.000 vernommen worden sein.
Jedenfalls fand sich dort eine beträchtliche Anzahl Münchner Bürger ein, um ihr grundgesetzlich verankertes Recht wahrzunehmen und gegen eine vollkommen undemokratische und unsoziale Coronapolitik zu demonstrieren. Viele davon dürften Sie und damit einen Sozial-Demokraten im vergangenen Jahr gewählt haben. Sie sind auch deren Bürgermeister und der Bürgermeister aller Münchnerinnen und Münchner, die dort standen.
Keiner versteht, was die Politik bewegt, immer irrationaler und radikaler zu handeln und immer mehr Menschen vom Leben auszuschließen, ohne dass es dafür einen vernünftigen Grund gibt. Andernorts findet längst wieder ein weitgehend normales Leben statt. Es sind existentielle Sorgen, die die Menschen auf die Straßen treiben. Sie haben sich daran gewöhnt, eine Berichterstattung in den Leitmedien vorzufinden, die nicht die Wirklichkeit widerspiegelt, weder was das gesamte Themengebiet um Corona betrifft noch was die Proteste gegen die Coronamaßnahmen anbelangt.
Diese Berichterstattung scheint nicht nur bei vielen Bürgern zu verfangen, sondern, wie sollte es anders sein, auch bei unseren politischen Vertretern. Tausende konnten sich nun live ein Bild machen, wie weit Berichterstattung und Realität auseinanderklaffen.
Ich habe in der Stadt München ehrenamtlich viel bewegt, auch Dinge, die Ihnen bedauerlicherweise immer egal waren. So habe ich den Münchner Ernährungsrat gegründet und bis zu einer Ernährungsstrategie für die Stadt vorangetrieben, um allen Münchnern Zugang zu gutem Essen zu verschaffen. Mir ging es dabei immer auch um Ernährungsdemokratie. Nun hoffe ich, dass ich Ihre Gelichgültigkeit seinerzeit nur auf den ersten Bestandteil „Ernährung“ erleben musste.
Ich habe die Berichterstattung der Medien antizipiert. Wer diese seit eineinhalb Jahren beobachtet und ein paar Bücher über Medienkritik gelesen hat, kann die Mechanismen verstehen. In meiner Rede hätte ich viel davon angesprochen, jedoch gab die auch für uns alle überwältigende Versammlung ein 15-minütiges Referat nicht her. Ich habe sie im Nachgang aufgrund der diffamierenden Berichterstattung hier zur Verfügung gestellt:
Ich stelle anheim, sich die Perspektiven Ihrer Bürger zu eigen zu machen. Sie samt und sonders zu kategorisieren, wie Sie dies getan haben, wird den wenigsten gerecht. Die Menschen werden so nicht länger mit sich umspringen lassen. Das merkt man ganz deutlich. Mir wäre daran gelegen, sehr schnell wieder zu demokratischen Strukturen zurückzukommen. Wir hatten vor Corona weitaus größere Probleme zu lösen und schaffen uns gerade unnötig weitere neue und noch größere Probleme.
Ich bitte Sie zu einer Rückkehr zur Verhältnismäßigkeit. Das fängt bereits mit den Worten an, die gerade in einer solchen Situation von Menschen in Machtpositionen mit Bedacht gewählt werden sollten. Und es geht weiter damit, den Menschen ihre Grundrechtsausübung nicht zu erschweren. Denn bei einer sauberen Sachverhaltsabwägung, die ich mir als Jurist zutraue, gibt es für derart gravierende Einschränkungen keine Berechtigung mehr.
Für kommenden Mittwoch, den 22.12. ist erneut eine Versammlung angezeigt, für die wir bereits prominente Redner wie Dr. Martin Hirte und Prof. Dr. Andreas Sönnichsen gewinnen konnten. Wir hoffen, dass diese Versammlung wie beantragt oder mit akzeptablen Kompromissen durchgeführt werden kann.
Mit freundlichen Grüßen
Jürgen Müller
Der Beitrag wurde am 20. Dezember 2021 auf publikum.net veröffentlicht.