Sehr geehrter Herr Oberbürgermeister Dieter Reiter,
sehr geehrte Stadträtinnen und Stadträte,
ich fordere eine Aufarbeitung der Coronapolitik in München und als ersten Schritt eine Herausgabe der Protokolle des Corona-Krisenstabs, der als „Stab für außergewöhnliche Ereignisse (SAE) Corona“ vom 28. Januar 2020 bis 31 März 2023 in 194 Sitzungen getagt hat. Dies haben Sie bisher verweigert. Im kommenden Jahr finden Kommunalwahlen in Bayern statt und es wird ein neuer Stadtrat gewählt. Die Bürger haben in einer Demokratie einen Anspruch darauf, zu wissen, wie die kommunalen Vertreter in der Coronakrise gehandelt haben. Auf sämtliche offenen Briefe haben wir bisher keine Reaktion der Regierungsparteien aus Grünen und SPD erhalten, aber auch nicht von der CSU, die die Maßnahmen in Bund und Land zu verantworten hatte. Die offenen Briefe sowie die Texte, auf die in diesen verwiesen wird, liste ich hier noch einmal auf:
17.12.2021: München steht auf – eine Perspektive
20.12.2021: Offener Brief an den Oberbürgermeister Dieter Reiter
22.12.2021: Offener Brief an den Stadtrat München
23.01.2022: Offener Brief an den Oberbürgermeister Dieter Reiter
10.05.2022: Einladung zu unseren Debattenräumen
20.09.2022: Eröffnung des Oktoberfests – wir können miteinander reden
20.10.2022: Demokratieverweigerung – Offener Brief
23.04.2023: Schreiben an den Oberbürgermeister Dieter Reiter – Bürgersprechstunde
23.07.2023: Bürgersprechstunde
29.03.2024: Coronaaufarbeitung in München
14.04.2024: Aufarbeitung Jetzt – RKI-Protokolle
12.06.2024: Die G-Regeln in den Bezirksausschüssen
18.02.2025: Aufarbeitungsverweigerung
Es ist jedoch nicht nur so, dass die grün-rote Stadtregierung sich nicht gehalten sieht, auf das vitale Interesse zigtausender ihrer vom Stadtrat ausgegrenzten Bürger einzugehen. Auch im Stadtrat selbst müssen sich die Oppositionsparteien abweisen lassen, die zwar spät, aber immerhin, entsprechende Anträge gestellt haben.
So haben ÖDP und Münchner Liste am 21. Juni 2024 einen Antrag auf Einsetzung eines Bürgerrats gestellt. Die Forderung ist ausgesprochen moderat. Die Einberufung eines Bürgerrats kann auf kommunaler Ebene – anders als auf höheren Ebenen – ein Schritt sein, um die Spaltung zu überwinden und die Stadtgesellschaft heilen zu lassen. Gleichwohl wurde der Antrag am 17. Januar 2025 abschlägig verbeschieden. Dabei gehen Sie gleich im ersten Satz noch immer davon aus, dass es eine Pandemie gegeben habe, in dem Sinne, was man darunter versteht und dies trotz der Äußerungen der Wissenschaftler im RKI, das Sie stets als Leumundszeuge herangezogen hatten. Durch die RKI-Protokolle wissen wir, dass dies nie eine tragfähige Grundlage war. Eine ehrliche Aufarbeitung, die ihren Namen verdient, müsste also bereits in diesem Punkt offen sein und alles auf den Tisch bringen, mithin auch die Frage, ob und in welchem Umfang es eine Pandemie gab. Im Wesentlichen versuchen Sie in Ihrer Antwort, die Verantwortung von sich weg zu schieben auf die höheren Ebenen Land und Bund. Sie hätten keine Möglichkeiten gehabt, anders zu entscheiden.
Ebenso verhält es sich mit dem Fragenkatalog, den die AfD mit Datum vom 21. Februar 2025 gestellt hat. Man hat sich entschieden, die Fragen mit sehr, sehr vielen Worten zu beantworten, die im Wesentlichen aussagen: „Wir haben nur die Regeln befolgt. Wir hatten keine andere Wahl.“
Das ist in mehrfacher Hinsicht nicht richtig und zudem etwas geschichtsvergessen. Eine solche Einstellung ist im Hinblick auf Demokratie und Gesellschaft für Politiker äußerst bedenklich.
Wie nachgewiesen, gab es in den Münchner Bezirksausschüssen gänzlich unterschiedliche Regelungen. Es gab also auf Stadtebene Entscheidungsspielräume. Eine Erfahrung musste ich selbst machen. Eine von mir angemeldete Versammlung am 20. März 2022 auf dem Königsplatz in München fand einen Tag nach Auslaufen der FFP2-Masken-Regelungen im Infektionsschutzgesetz statt. Dies hinderte Sie nicht daran, per Bescheid gleichwohl eine Maskenpflicht im Freien durchzusetzen. Sie haben dies dann halt einfach auf das Versammlungsgesetz gestützt. Das war ungeheuerlich und erfordert eine Aufarbeitung. Die schlimmste demokratische Entgleisung war jedoch sicherlich die Abschaffung des Grundrechts auf Versammlungsfreiheit durch eine Allgemeinverfügung – einen Verwaltungsakt, nachdem vorher bereits Versammlungen mit völlig wissenschafts- und demokratiefeindlichen Auflagen versehen wurden. Auch dies hätte die Stadt München nicht tun müssen – sie hätte es aus meiner Sicht niemals tun dürfen. Sie hatte jedenfalls Spielraum, wie eine Besprechung beim Bayerischen Innenminister Joachim Herrmann Anfang Januar 2022 ebenfalls bestätigte. Dieser wies mich sogar explizit darauf hin, dass nicht einmal die damals gültige Bayerische Infektionsschutzmaßnahmenverordnung eine Maskenpflicht auf einer Versammlung im Freien vorsah. Sie hatten die Wahl. Sie haben sie zu Lasten der Bürger und ihrer Grundrechte genutzt. Dies muss aufgearbeitet werden und ich halte gerade die Aufarbeitung auf kommunaler Ebene seit Jahren für dringend erforderlich. Hier wohnen die Menschen und begegnen sich beim Einkauf. Dies sieht man auch andernorts so und es gibt bereits Konzeptvorschläge für eine kommunale Aufarbeitung.
An zeitlichen und finanziellen Ressourcen kann der fehlende Wille zur Aufarbeitung nicht liegen, wie andere Projekte zeigen, die man in der Landeshauptstadt München für vordringlicher zu halten scheint. In anderen Städten gibt man die Krisenstabsprotokolle frei wie etwa in Heidelberg. Dies kann als Beginn einer Aufarbeitung gesehen werden. Oder man beginnt tatsächlich mit selbiger wie beispielsweise in Jena.
In der Woche vom 17.-30. März 2025 fanden in München die Internationalen Wochen gegen Rassismus statt. Auf dem Veranstaltungsheft prangt ein Logo wie ein Stempel, der sich selbst Zusammenhalt und 100% Menschenwürde attestiert. Abgesehen davon, dass Opfer der Coronapolitik dies als Doppelmoral empfinden, scheinen hierfür nahezu unbegrenzte finanzielle und zeitliche Ressourcen vorhanden zu sein. Bei insgesamt 179 Veranstaltungen und einer durchschnittlichen Zeitdauer von 2 Stunden wurden hierfür – ohne die Vorbereitungszeit – umgerechnet fast 45 übliche Werktage aufgewendet. Mit diesem Zeitbudget wäre eine Aufarbeitung möglich gewesen, die ihren Namen verdient und wohl auch eine nachhaltigere Wirkung gegen Ausgrenzung jeder Art gehabt hätte. Stattdessen hat man sich jedoch entschieden, die Ungeimpften für ihre unverschuldete und verwerfliche Ausgrenzung auch noch zu verhöhnen. So wird die Frage der AfD, was die LH München künftig tun wird, um das verloren gegangene Vertrauen in die Politik, die Institutionen und Medien wieder zu stärken und die dadurch entstandene Spaltung der Gesellschaft zu überwinden, wie folgt beantwortet:
„Die Landeshauptstadt München setzt sich bereits seit vielen Jahrzehnten gemeinsam mit ihren Beschäftigten für ein familienfreundliches, zukunftsstarkes und solidarisches München ein, das weltoffen ist und allen Bürger*innen eine hohe Lebensqualität sichert. Besonders wichtig ist, dass in München alle willkommen sind, unabhängig von Geschlecht, ethnischer, kultureller und sozialer Herkunft, Hautfarbe, Alter, Religion, Weltanschauung, Behinderung oder sexueller und geschlechtlicher Identität. Gerade diese solidarische und weltoffene Basis ermöglicht es der Landeshauptstadt München, auch zukünftig alles tun, um einer Spaltung der Gesellschaft entgegenzuwirken und gemeinsam die Herausforderungen der Zukunft anzugehen. Insbesondere ist Bestrebungen entgegenzutreten, die darauf angelegt sind, Gefühle des Misstrauens, der Unrechtbehandlung oder der Angst vor gesellschaftlicher Veränderung zu befördern. Dem entgegenzutreten wird die weltoffene und bunte Landeshauptstadt München auch weiterhin tun.“
Würden Sie sich trauen, dies Flüchtlingen, Juden oder Homosexuellen zu entgegnen, wenn Sie diese ohne jeden Grund monatelang vom gesamten gesellschaftlichen Leben ausgeschlossen und beleidigt hätten?
Sehr geehrter Herr Oberbürgermeister, sehr geehrte Stadträtinnen und Stadträte, ich wiederhole noch einmal die Forderung nach Aufarbeitung der Coronapolitik in München und als ersten Schritt die Herausgabe der Protokolle des Corona-Krisenstabs (SAE) als erstes Zeichen und als Zeichen, dass wir wirklich in einer Demokratie leben. Da ich mittlerweile wegen der völlig fehlenden Reaktion davon ausgehen muss, dass die offenen Briefe nicht gelesen oder nicht ernst genommen werden, notiere ich mir hierfür eine Frist bis zum Freitag, den 20. Juni 2025, bevor ich rechtliche Hilfe in Anspruch nehme.
Mit freundlichen Grüßen
Jürgen Müller
Wer meine Arbeit honorieren möchte, findet unter diesem Link ein paar Möglichkeiten zur Unterstützung zur Auswahl. Vielen Dank!