Den folgenden Beitrag habe ich vor einiger Zeit geschrieben. Nach den Erfahrungen aus der Coronakrise mit ihrer Diskreditierung von Wissenschaft, all ihren unbrauchbaren Modellen und der Gefahr des Missbrauchs sehe ich einiges davon etwas anders. Wiederum anderes ist so grundsätzlich, dass ich es wichtig finde, den Beitrag noch einmal hervorzuholen. Denn heute hat sich eine hitzige Diskussion um Umweltfolgekosten und externalisierte Preise entbrannt. Es gibt viele gute Gründe für eine Ernährungswende. Und es gibt noch ein paar Lobbygruppen mehr als das WEF und nicht alle verfolgen identische Interesse. Nachfolgend der Beitrag, den ich in seiner ursprünglichen Version belassen habe:
Wir brauchen die Ernährungswende. Wir brauchen sie jetzt und sie ist auch zu einem großen Teil sofort machbar im Vergleich zu den anderen großen Baustellen wie der Energiewende und der Mobilitätswende. Der erdrückende Fokus auf Energie und Mobilität ist, wenn man sich mal ansieht, was zu machen ist, schon halbwegs verrückt. Es fängt schon damit an, dass wir nicht jeden Tag Auto fahren oder heizen müssen. Aber Essen müssen wir (fast) jeden Tag. Und dann liegt auch noch der am leichtesten und billigsten zu erreichende impact im Bereich Ernährung.
Dafür braucht es nicht Billionen-Investitionen in erneuerbare Energien, in öffentlichen Nah- und Fernverkehr, in energetische Sanierungen etc. Dafür kommt es ganz maßgeblich darauf an, was produziert und gegessen wird: Tierische Produkte im Übermaß sind schlecht für die menschliche Gesundheit, das tierische Wohl und unsere Lebensgrundlagen.
Unser Ernährungssystem trägt zu rund 25% zu den Treibhausgasemissionen bei. Die Viehhaltung sorgt allein für rund die Hälfte der Emissionen aus der Landwirtschaft. Daran sieht man, wie banal es wäre, in diesem Bereich einen gewaltigen, kurzfristig erreichbaren Einspareffekt zu erzielen, der sich unmittelbar auswirkt auf Gesundheit und eine Handvoll anderer planetarer Grenzen. Und der milliardenfaches Leid unter fühlenden, intelligenten Mitgeschöpfen erspart. Im Bereich Ernährung kann man wirklich — um im Jargon zu bleiben — die low-hanging fruits ernten, um sich Zeit zu verschaffen, die man braucht, um die komplizierten, langwierigeren Dinge umzusetzen. Und das mit erheblichen positiven Nebeneffekten.
Warum eine Ernährungswende?
Wohl kein anderer Bereich trägt so sehr zur Vernichtung unserer Ökosphäre bei, wie die Art, wie wir Lebensmittel erzeugen und konsumieren bzw. nicht konsumieren, weil wir sie wegschmeißen. Nicht die Mobilität und nicht die Energieerzeugung.
Wir fokussieren uns dabei immer auf die Klimakrise. Aber das ist halt nicht die einzige planetare Grenze, die überschritten ist. Der Verlust der Biodiversität wird uns wohl brutal treffen. Wir benötigen den Genpool eigentlich gerade dann, wenn wir Arten brauchen, die sich auf geänderte Bedingungen einstellen können. Aber wir vernichten sie durch Pestizide, Monokulturen, Überdüngung etc. Es ist die planetare Grenze, die am weitesten überschritten ist.
Gefolgt wird das Artensterben von biogeochemischen Kreisläufen: gestörte Nährstoffkreisläufe, insbesondere Stickstoff, bedingen wiederum andere planetare Grenzen wie das Artensterben durch Überdüngung oder die Klimakrise durch Treibhausgase. Abgesehen davon müssen wir uns was einfallen lassen, wenn wir in absehbarer Zeit noch Lebensmittel erzeugen wollen. Eine große Errungenschaft war es, Kunstdünger zu erfinden. Dumm ist es, damit ein Feuerwerk an Überproduktion zu entfesseln.
Wir exportieren Flächen, weil wir hier die Futtermittel für das ganze Vieh nicht anbauen könnten. In fernen Ländern wird dann das Futtermittel angebaut, das wir dann wieder importieren und nach Verwertung als Gülle auf die Felder und ins Grundwasser schütten. Das Futtermittel wird auch nicht irgendwo angebaut, sondern oft auf Flächen, die erst durch Brandrodungen frei wurden. Mit diesen Landnutzungsänderungen sind wir schon bei der nächsten planetaren Grenze, die durch Waldbrände nochmal Fahrt aufnimmt.
Kein anderer Sektor hat derartige Auswirkungen in so viele Bereiche wie die Ernährung. Und das ist nur ein Bruchteil der gewaltigen Auswirkungen und eigentlich noch nicht einmal der richtige Fokus. Denn der Fokus auf die planetaren Grenzen macht uns noch nicht einmal klar, worum es eigentlich geht. Das ist in diesem großartigen Text gut beschrieben, der unseren Blick weglenkt vom falschen Fokus hin zum verletzlichen Netz des Lebens, in das wir mit eingewoben sind. Ja, das klingt esoterisch und auch den Autor der Rezension hat es geschüttelt. Aber es stimmt halt.
Warum ist das alles trotz dieser gewaltigen Auswirkungen so unbekannt und warum wird daran so wenig geändert? Ich empfehle zu dieser Frage gern das Buch „Die Klimaschmutzlobby“ von Susanne Götze und Annika Joeres. Es ist der fehlende politische Wille, der eine Änderung verhindert und eine lebensgefährliche Politik, die in der CDU und CSU heimisch ist mit ihrer Nähe zu Wirtschaft und Lobbyverbänden. Besonders krass: Ein solches Verhalten gegenüber der Schöpfung mit einem C im Namen. Dabei wäre es so leicht.
Was bedeutet Ernährungswende?
Ich mache es mir selbst mal leicht und zitiere aus dem Strategiepapier, das wir beim Ernährungsrat München erarbeitet haben:
„Das Leitbild der nachhaltigen Ernährung setzt die Nachhaltigkeitsziele der UN, die sogenannten „Sustainable Development Goals“ (= SDGs) (akt. Anmerkung: ja. ich weiß wie problematisch das ist!), für den Ernährungsbereich um. Die Entwicklung der Grundsätze des Leitbilds gehen auf das Wissenschaftsgebiet der Ernährungsökologie zurück. Daraus wurden von der „Arbeitsgruppe Nachhaltige Ernährung“ um Dr. oec. troph. Karl von Koerber sieben Grundsätze für eine nachhaltige Ernährung entwickelt:
- Bevorzugung pflanzlicher Lebensmittel
- Lebensmittel aus ökologischer Erzeugung und nachweislich artgerechter Tierhaltung
- Regionale und saisonale Erzeugnisse
- Bevorzugung gering verarbeiteter Lebensmittel
- Fair gehandelte Lebensmittel
- Ressourcenschonendes Haushalten
- Genussvolle und bekömmliche Speisen
Diese sind nach ökologischer Priorität geordnet, d.h. absteigend nach Einsparpotential an Treibhausgasemissionen. Die einzelnen Grundsätze führen nicht etwa zu sich gegenseitig ausschließenden Folgerungen und Empfehlungen, sondern zu einer in sich schlüssigen Konzeption. Quelle:https://t1p.de/i79x“
Der größte Effekt kann also erzielt werden beim weitgehenden Verzicht auf tierische Produkte, den man systemisch erreichen könnte, indem man durch Steuern steuert. Schlichtweg indem man Politik macht. Fleisch benötigt auch keine irgendwie gewillkürte Fleischsteuer. Alle Lebensmittel benötigen eine Einpreisung der externalisierten Kosten. Das sind u.a. die Kosten, die durch die beschriebene Zerstörung der Ökosphäre entstehen. Damit könnte man nach dem Stand der Forschung sofort beginnen. Und für die schlimmsten Missstände braucht es halt auch Verbote.
Für Verbraucher wäre ein solch umgestelltes System eine gewaltige Entlastung, weil sie automatisch mit dem günstigsten Produkt das sozial und ökologisch Beste kaufen könnten.
Es ist wirklich verflixt tricky: Wir können diskutieren, welche Art der Energiegewinnung wir brauchen, wir können über Technologie reden, über Kernkraft, über potentiell zerstörerisches Geoengineering, wie wir den Menschen eine andere Mobilität geben als das Auto, wie wir anders wirtschaften, ob und wie lange es dauert, bis wie die Technologie entwickelt haben CO2 wieder aus der Atmosphäre zu holen usw. Oder wir hören erst mal auf, Unmengen Fleisch zu fressen. Ohne Billionen in die Hand nehmen zu müssen, sondern im Gegenteil Billionen Klimaschäden und -anpassungen zu ersparen, ohne Zeitablauf. Kostenlos. Sofort. Was sollen wir nur tun? Es ist wirklich verdammt knifflig.
Warum also stellen wir unser Ernährungssystem nicht um, sondern töten Tiere und unsere Lebensgrundlagen?
Regional und lokal muss es passieren
Es ist ein Kreuz. Die große Transformation könnte ganz einfach angestoßen werden durch eine Änderung der Förderpraxis in der EU — weg von Flächenprämien hin zur Belohnung von Umweltschutzmaßnahmen. Aber das ist mit der Union in der Union nicht zu machen. Also mit CDU und CSU in der EU. Denn die stellen seit Jahren die Landwirtschaftsminister und sorgen für eine Vernichtung von Biodiversität durch eine Glyphosatverlängerung oder versuchen, eine transformative Gemeinsame Agrarpolitik (GAP) zu verhindern. Das Gerede von Nachhaltigkeit einer Julia Klöckner ist nichts als Propaganda. Deutschland hatte im entscheidenden 2. Halbjahr 2020 die Ratspräsidentschaft inne. Klöckner versucht die Transformation zu verhindern. Angesichts ihres Einflusses auf die Zerstörung der Lebensgrundlagen ist sie die mit weitem Abstand zu wenig skandalisierte Politikerin der Welt. Frustriert von dieser Politik, wie es seit der Coronakrise immer mehr Menschen sind, habe ich mich schon vor Jahren immer weiter auf Ebenen verlegt, auf denen das Handeln wirklich wirkt. Das habe ich hier mal aufgeschrieben.
Aber auch auf Landesebene, hier in Bayern, sieht es politisch nicht viel besser aus. Hier hatten wir das Volksbegehren „Rettet die Bienen!“, um Artenvielfalt zu fördern, und der am weitesten überschrittenen planetaren Grenze Biodiversitätsverlust entgegenzutreten. Das erfolgreichste Volksbegehren aller Zeiten. Ein eindeutiges Votum der Bürger. Aber es wird verschleppt, was wirklich erforderlich wäre für die Umsetzung. Dabei wäre das so dringend erforderlich:
- In Bayern befinden sich Wälder, Flure und Gewässer bereits mitten in der Klimakrise
- Die menschenverursachte Erhitzung in Bayern liegt bereits heute bei 1,2° Celsius, in München sogar bei 1,9° Celsius
- 2020: wir haben den dritten heißen Sommer und zu wenig Niederschläge in Folge
- Das Sterben klein(st)er bäuerlicher Betriebe verläuft weiterhin ungebremst
- Die Kulturlandschaft verarmt immer mehr und das Artensterben schreitet voran
- Unser Ernährungsstil basiert auf der Ausbeutung von Umwelt, Mensch und Tier und ist in höchstem Maße sozial ungerecht
- Die Ökosysteme weltweit stehen unter massivem Druck, vier von neun planetaren Grenzen sind bereits überschritten
Und die weiteren Zukunftsaussichten für Bayern sind nicht gerade vielversprechend.
Aber wo bleibt die Initiative des selbsternannten Neu-Umweltschützers Söder? Wir haben es in München mit dem Bündnis München muss handeln endlich geschafft, nach jahrelangem Stillstand eine progressive grün-rote Stadtregierung (akt. Anmerkung: es tut mir wirklich leid) zu bekommen, bei der sich einige Politikerinnen die Ernährungswende auf die Fahnen geschrieben haben. In den Kommunen könnte sogar gelingen, was sonst vom Geldbeutel einzelner abhängig wäre. Die Kommunen können in der Außer-Haus-Verpflegung allen Zugang zu gutem Essen verschaffen, egal wie die finanziellen und zeitlichen Ressourcen der Bürger sind oder auch deren Bildungshintergrund. Ganz automatisch. In allen Einrichtungen, in denen die Städte zuständig sind: Von der Kindertagesstätte bis zu Altenheimen, von den Kantinen städtischer Betriebe bis zu städtischen Empfängen und Festen. Es wäre nicht nur ein gigantisches ökologisches Projekt, sondern auch eines für Gesundheit und Gerechtigkeit. Für gleiche Chancen und Teilhabe.
Dafür braucht es keine erhöhten finanziellen Mittel bei den einzelnen, dafür aber bei der Stadt. Aber wo ist denn die Planungssicherheit für die Kommunen, die mit erheblichen Einbrüchen bei der Gewerbesteuer zu kämpfen und auch andere Einnahmeausfälle zu verzeichnen haben, wie beim weniger genutzten ÖPNV, Schwimmbädern, Museen etc. In den Kommunen wird es sich entscheiden. Dort leben die Menschen und es verdichtet sich immer mehr auf die Städte. Aber man hört: Nichts. Keine große Vision. Keine Langzeitstrategie. Stattdessen werden wir uns wohl auf ein neues Volksbegehren vorbereiten müssen, weil das bayerische Klimagesetz ein windiger Lappen ist ohne eine konkrete Vision. Genau wie die gesamte Corona-Politik: Langweilig, unkreativ, ungerecht — nur lockdown — keine Perspektive, kein Gestaltungswille. Das ist nicht die Politik, die wir brauchen und ein derartiges Handeln gegen einen großen Teil der Bevölkerung kann der Demokratie schweren Schaden zufügen.
Warum also stellen wir unser Ernährungssystem nicht um, sondern setzen Demokratie und unsere Lebensgrundlagen auf’s Spiel?
Falsch verstandene Regionalität
Es dürfte deutlich geworden sein, warum mein Fokus auf der lokalen und regionalen Umsetzung liegt. Hier haben wir die Möglichkeiten der direkten Demokratie. Hier sind wir mit den Politikern, der Verwaltung und den Akteueren vor Ort. Hier passiert der konkrete Wandel. Also gründet Ernährungsräte überall. Wir sind bereits über 70 deutschsprachige bestehende und in Gründung befindliche und es werden immer mehr. Aber es geht auch um eine andere Einordnung der Regionalität, die oft falsch verstanden wird.
Durch eine Regionalisierung der Ernährungsversorgung könnte auch ein größeres Maß an Resilienz geschaffen werden. Wie schnell globale Lieferströme zusammenbrechen können, haben wir zuletzt in der Coronakrise gesehen. Und auch die regionale Wirtschaft könnte Wertschöpfung in der Region ebenso gut vertragen wie die Ökosphäre geschlossene Wertstoff- und Nährstoffkreisläufe. Das ist der größte Wert der Regionalität, die im Hinblick auf die Umweltauswirkungen oft stark überschätzt wird.
Die größte Umweltauswirkung liegt nicht in der Regionalität, sondern imVerzicht auf tierische Produkte! Weil das oft falsch eingeschätzt wird, mal ein kleiner Ausflug:
Regionalität ist kein Wert an sich. Mit einer regionalen Produktionsweise kann man die Umwelt mindestens genau so schlimm belasten, wie mit anderen Produktions- bzw. Ernährungsweisen.
Regionalität kann auch bedeuten, dass mehr Treibhausgase ausgestoßen werden als durch eine andere Produktionsweise. Wenn wir vor der Saison Erdbeeren, Tomaten, Spargel etc. essen wollen, dann muss geheizt werden.
Regionalität kann auch zu massivem Verlust von Biodiversität führen, wenn mit Herbiziden, Pestiziden, Insektiziden, Fungiziden alles totgespritzt wird und unter Ausnutzung des letzten Feldzentimeters keine Lebensräume verbleiben.
Regionalität kann auch bedeuten, dass wir das Grundwasser mit Nitrat verseuchen, weil wir auf tierische Produkte setzen und am Ende nicht wissen wohin mit der ganzen….Gülle.
Regionalität kann auch bedeuten, dass es den Menschen, die in der Landwirtschaft arbeiten, sehr schlecht geht. Und dann haben wir halt rumänische Schlachtsklaven, die für Hungerlöhne arbeiten und unter menschenunwürdigen Bedingungen hausen. Das ist so wichtig, dass wir uns das sogar mitten in einer Pandemie leisten.
Regionalität kann zB auch bedeuten, dass wir die Futtermittel für unsere Massentierhaltung auf anderen Kontinenten anbauen lassen. Also wird andernorts der Regenwald abgeholzt. Dadurch werden Biodiversität vernichtet und CO2-Senken zerstört. Zudem werden Menschen durch Landgrabbing entwurzelt. Gut, das war jetzt etwas übertrieben. Wen interessiert denn in Coronazeiten schon Klimagerechtigkeit, wenn wir nicht einmal ein Mindestmaß an Gerechtigkeit hinbekommen und nicht Millionen wegen unserer Coronapolitik verhungern lassen. Die interessieren uns erst dann, wenn sie hier als Flüchtlinge aufschlagen, die wir durch das Anheizen des Klimawandels derzeit zu hunderten Millionen produzieren. Vermutlich wird deshalb grad auch der Kriegshaushalt so aufgebläht. Man muss sich ja „verteidigen“, wenn die alle hierher wollen.
Ich schweife ab — zurück: Regionalität ist extrem wichtig im Hinblick auch auf Ernährungssouveränität und Resilienz, wie wir dies schon zu Beginn der Pandemie aus dem Netzwerk der deutschen Ernährungsräte heraus gefordert haben. Aber sie wird erst dann zu einem Wert, wenn wir den Begriff aufladen durch eine zudem ökologische, saisonale und faire Produktion und Distribution. Ansonsten kann Regionalität sogar schädlich sein.
Es würde übrigens auch die Folgen der Coronakrise abmildern, wenn die lokale Wirtschaft gestärkt würde: Wenn Landwirte vor Ort verlässliche Abnahmebedingungen, Wertschätzung und auskömmliches Einkommen hätten, wenn regionale Verarbeitung wieder etabliert würde, Lebensmittel selbst ein Einbruch globaler Warenströme lokal zur Verfügung stünden etc. Das Ganze dann noch garniert durch ein gemeinwohlorientiertes Wirtschaften, wie es sich im Modell der Gemeinwohlökonomie findet. Eine ethische Marktwirtschaft, die die Ausbeutung und Zerstörung von Gemeingütern bestrafen und wirtschaftlich unattraktiv machen könnte. Hier ein aktueller kurzer Artikel im Postwachstumsblog, was besonders charmant ist, weil ich die Gemeinwohlökonomie für ein hervorragendes Instrument halte, um in Richtung Postwachstumsökonomie aufzubrechen.
Ein stärkerer Fokus auf Regionalität wäre also in der aktuellen Situation doch ein Fokus, auf den sich alle Parteien einigen können müssten. Stattdessen erleben wir durch jahrzehntelange Unionspolitik ein Sterben dieser regionalen Wertschöpfung, ein Aussterben Jahrhunderte alten Handwerks vor Ort und ein gigantisches Höfesterben. Ja, die Politik der Union nützt nicht einmal den Landwirten, die sie für deren Partei halten. Sie drängt tausende zur Aufgabe ihrer teils seit Jahrhunderten in der Familie bewirtschafteten Höfe.
Warum also stellen wir unser Ernährungssystem nicht um, sondern vernichten weiter Existenzen und unsere Lebensgrundlagen?
Gesundheit
Nach 1 Jahr Pandemie wird noch immer nicht über ernährungsbedingte Krankheiten und die Bedeutung des Immunsystems geredet, das mehr leisten kann als nur Abwehrkräfte gegen 1 spezifische Krankheit durch eine Impfung aufzubauen. 1 Jahr, in dem man durch eine Ernährungsumstellung viel hätte machen können, zumal, wenn man weiß, dass ernährungsbedingte Vorerkrankungen erhebliche Risikofaktoren bei einer Erkrankung mit COVID19 darstellen und noch viel häufiger so zum Tod führen. Das gilt nicht nur für Corona. Ein Viertel der weltweiten Krankheitslast ist umweltbedingt.
Es hat sich in der Coronapandemie für alle restlos offenbart, dass wir eine super unfitte Gesellschaft sind. Eine Risikogruppe von 40% kommt ja nicht von ungefähr. Aber auch in der Krise ist eine Ernährungswende kein Thema in der Politik, oder hat mal jemand von Julia Klöckner was bahnbrechendes dazu gehört oder von Kanzlerin Merkel, die ja immerhin die Richtlinien der Politik vorgibt und für ihr Kabinett verantwortlich ist?
Auch die in den letzten Jahren immer zahlreicher auftretenden zivilgesellschaftlichen Akteure hatten das Thema Ernährung kaum auf dem Zettel. Erst in letzter Zeit ändert sich das zum Glück. Aber auch deshalb war es wohl noch nicht der Dauerbrenner in den Medien. Noch schlimmer: die Bedeutung des Immunsystems wird inmitten einer Pandemie von öffentlich-rechtlichen „Faktencheckern“ gar noch kleingeredet. Nötig wäre eigentlich in so einer Pandemie eine neue Trimm-Dich-Bewegung mit einem weiteren großen Fokus auf die Ernährung.
Vieles, was wir zu uns nehmen, ist geeignet, Krebs auszulösen oder unser Herz-Kreislaufsystem massiv zu beeinträchtigen, Haupttodesursachen in Deutschland. Nur mal um die Relationen herzustellen: In Deutschland sterben umgerechnet täglich allein an diesen beiden Ursachen 1.540 Menschen! Das ganze Jahr über. Das hört nicht auf, wenn die Erkältungssaison vorbei ist und es gibt keinen Impfstoff. Es liegt zu einem erheblichen Teil an der Ernährung. Wir essen zu viel Salz, zu viel Zucker, zu viel Fleisch und Wurst, zu viel Pestizide und andere Gifte, Zusatzstoffe, von denen wir gar nicht wissen, wie sie eine schädliche Wirkung wechselwirkend potenzieren könnten.
Lebensmittel sollten eigentlich Leben und Energie vermitteln. Die Ernährungswende wäre also eigentlich auch eine Art Energie- und Mobilitätswende. Aber das, was wir uns oft zuführen, sind keine Lebensmittel in diesem Sinne. Sie rauben uns Energie und nehmen uns die Mobilität.
Gute Ernährung, frische Produkte frisch zubereitet in Bioqualität mit wenig Fleisch etc. könnten Heilung für Mensch und Planet sein. Bio ist zwar noch immer eine Nische, nimmt jedoch zu, aber für wen? Wieder nur für die, die es sich leisten können und/oder wissen, was zu tun ist.
Die anderen, die sich das nicht leisten können, denen die Bildung fehlt oder schlicht die Zeit, essen dann Fertigprodukte aus der Hexenküche.
In anderen Ländern wird wenigstens versucht, diese weniger schädlich zu gestalten. Frankreich beispielsweise nimmt das Vorsorgeprinzip noch ernst und verbietet Stoffe, deren Ungefährlichkeit nicht nachgewiesen ist. Wer etwas verkaufen will, soll nachweisen, dass er damit keinen Schaden anrichtet. Das konzentriert den Nachweis auf die Verursacher. Wir drehen es immer mehr um. Industriefreundlich soll nachgewiesen werden, dass etwas schädlich ist, was in dieser Komplexität kaum möglich ist.
Wir machen faktisch das Gegenteil des Vorsorgeprinzips. Deutschland ist einer der Treiber hinter Demokratiezersetzungs- und Umweltzerstörungsabkommen wie TTIP, CETA, Mercosur etc. und weicht schon damit — neben ganz offenen Angriffen auf das Vorsorgeprinzip — selbiges immer mehr auf. Aber ohne die angloamerikanische Rechtsregelung des Strafschadens. Ein großkoalitionäres winwin für Konzerne. Eine solche Politik ist eklig wie Separatorenfleisch.
Und eigentlich müssten wir, wenn wir das alles ernst nähmen, noch über ganz andere Dinge reden. Der Elefant im Raum ist die Umverteilung über Steuern. Und damit sind wir vielleicht beim eigentlichen Grund, warum es keinen Zugang zu gutem Essen für alle gibt. Vermutlich könnten alle Menschen gut essen und damit ihre Gesundheit und die des Planeten erhalten mit einer moderaten Vermögenssteuer und einer satten Erbschaftssteuer auf Vermögen von 5 Millionen Euro aufwärts. Würde also kaum jemanden treffen, außer die, deren Reichtum in den Krisen, die viele arm machen, nahezu exponentiell angewachsen ist. Alle würden davon profitieren. Aber wer will das schon?
Im Moment mit dem Eindruck einer globalen Gesundheitskrise vermutlich eigentlich wiederum fast alle. Denn wenn wir von tierischen Nahrungsmitteln weiter weg kommen, schaffen wir auch Distanz zu anderen Krankheitserregern. Damit sind nicht nur Zoonosen gemeint. Durch den Antibiotikamissbrauch in der Tierhaltung schaffen wir gerade multiresistente Keime und damit eine der größten Errungenschaften der Medizin ab.
Warum also stellen wir unser Ernährungssystem nicht um und zerstören weiter unsere Gesundheit und unsere Lebensgrundlagen?
tl;dr: Wie kann die Ernährungswende erreicht werden?
Dieser Ganze Text war nur ein Abriss dessen, was im Ernährungsbereich falsch läuft mit gravierenden Auswirkungen auf die Gesundheit von Mensch und Planet. Egal wie viele weitere existentielle Probleme ich hier noch aufzählen würde, blieben die Fragen die Gleichen:
Warum diskutieren wir überhaupt darüber, unsere Steuergelder für die Vernichtung unserer eigenen Lebensgrundlagen einzusetzen, anstatt die GAP enkeltauglich zu auszurichten? Warum lassen wir es zu, dass die Union regiert und unsere Lebensgrundlagen vernichtet? Warum lassen wir uns Julia Klöckner gefallen?
Nach alldem eine Antwort: Es ist lebensgefährlich, die Union zu wählen. Es ist außerordentlich wichtig, ihr Ergebnis bei der Bundestagswahl mindestens zu halbieren. Für unsere Demokratie und unsere Lebensgrundlagen. (akt. Anmerkung: Die Ampel und vor allem die Grünen sind ein Desaster, ich weiß)