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Wahlen und Entscheidungsmacht

Ausschnitt aus einem Vortrag von Prof. Dr. Rainer Mausfeld am 13. März 2024 bei der ÖDP in München mit Transkript. Der Rest des Transkripts folgt zeitnah.

“Warum sind wir nicht in der Lage, robuste gesellschaftliche Schutzbalken gegen eine Entzivilisierung von Macht zu entwickeln? Jetzt ahnen Sie schon, jetzt kommt das Thema Wahlen. Warum sagen wir nicht einfach „Nein“ und wählen die ab und wählen andere? Das führt dann zu der Frage „Wer hat eigentlich die Entscheidungsmacht bei politischen Entscheidungen?“ Und das ist natürlich eine empirische Frage. Das sagt sogar die Bundeszentrale für politische Bildung. Die sagt: „Die Bundesrepublik Deutschland ist eine Demokratie“. Sagt aber an anderer Stelle: „Nicht, ob sich ein Staat als Demokratie bezeichnet, ist entscheidend, sondern entscheidend ist, wer tatsächlich die Herrschaft ausübt.“ Diese Vorlage nutzen wir gerne, um empirisch die Fakten klar zu kriegen, wer hat eigentlich die Entscheidungsmacht im Staate? 

Die Fakten sind. Die einflussreichste Untersuchung ist zwei berühmte Politologen aus den USA, Gilens und Page, die 2014 eine ganz groß angelegte – die ist methodologisch ziemlich kompliziert, ich will darauf nicht eingehen –  groß angelegte Studie gemacht haben und das später zu einem ganzen Buch, was kürzlich erschienen ist, ausgearbeitet haben. Die haben das empirisch untersucht. Und was finden Sie? Die unteren 50 % auf der Einkommensskala haben nur einen vernachlässigbaren – fast null – Einfluss auf politische Entscheidungen. Und Sie sagen, die Bezeichnung Demokratie ist damit obsolet. Wir haben eine Wahloligarchie. Bestenfalls. 

Ein Zitat: „Politische Entscheidungen werden von mächtigen Wirtschaftsorganisationen, einer kleinen Anzahl von wohlhabenden Amerikanern dominiert“. Diese Studie wurde für Deutschland  -sonst könnten sie sagen In den USA ist alles ganz schlimm und bei uns ist alles ganz anders – die wurde in Deutschland auch durchgeführt. Was Bürgerinnen mit geringem Einkommen in besonders großer Zahl wollten, hatte in den Jahren ’98 bis ’15 eine besonders niedrige Wahrscheinlichkeit, durchgesetzt zu werden. Das für die USA nachgewiesene Muster von systematisch verzerrten Entscheidungen trifft also auch auf Deutschland zu. 

Die Schlussfolgerung, schreibt Dani Rodrik, ein renommierter politischer Ökonom. Die Schlussfolgerung ist eindeutig: „Wenn die Interessen der Eliten von denen des Rests der Gesellschaft abweichen, sind es ihre Ansichten. Die zählen fast ausschließlich. Die Schlussfolgerung ist Parlamentswahlen spielen offenkundig in kapitalistischen Demokratien für alle grundlegenden Entscheidungen keine Rolle mehr. Das ist grade, das große, verborgene, schmutzige Geheimnisse kapitalistischer Demokratien. Und um das aufzubrechen, muss man wieder sehr viel tiefer graben im Ansatz, als wir das üblicherweise tun, weil wir immer wieder – das sehen Sie an den kognitiven Verzerrungen: Wir neigen immer wieder dazu, an der Oberfläche des Konkreten zu bleiben. Wir müssen sehr viel tiefer graben und die Beziehung von Kapitalmacht und Manipulationsmacht untersuchen, denn darin liegt dieses schmutzige Geheimnis.” (Ende Transkript)

Der gesamte sehenswerte Vortrag und weitere Vorträge können auf der Homepage der ÖDP-München abgerufen werden. Hier ist er auf Youtube zu finden: