Da ich immer wieder auf die ÖDP angesprochen werde, möchte ich hier meinen Austritt dokumentieren. Ich bin schon lange nicht mehr dabei und war es auch nicht allzu lange. Im März 2023 bin ich eingetreten, weil ich viele gute Leute vor Ort kenne, die aufrechte Demokraten sind und sich während der Coronakrise nicht unterkriegen ließen und sich auch stets für den Frieden eingesetzt haben. Dem ehemaligen Stadtvorsitzenden Thomas Prudlo ist als einsamer Buchleser auf einer Bank in München eines der schrägsten Kapitel der Coronapolitik zu verdanken, denn die Münchner Polizei fand das nicht so ganz erlaubt, wenn man seine Grundrechte dergestalt ausübt dass man alleine auf einer Bank im Freien ein Buch liest.

Er setzte ungefähr zur selben Zeit auch die erste Versammlung in München mit durch und hielt auf einer der von mir angezeigten Versammlungen eine Rede, die ich bis heute für vorbildhaft erachte. Eben komme ich vom Spaziergang in Wolfratshausen, wo Manuel Tessun bis heute die Montagsspaziergänge mit organisiert und auch an lesenswerten Stellungnahmen der ÖDP in der Coronazeit mitgewirkt hat. Viele haben mir ihr Vertrauen geschenkt und mich zur Landtagswahl in Bayern 2023 auf die Liste gesetzt. Aus dem Grund fiel es mir nicht leicht, wieder auszutreten. Denn es gibt noch immer gute Demokraten in der ÖDP, aber sehr viele haben sich bereits verabschiedet, weil sie wohl eine ähnliche Erfahrung gemacht haben wie ich. Ich halte das für kein Problem der ÖDP selbst, sondern für eines von Parteien generell. Es sind Machtkonstrukte, die Demokratie verhindern und die wir überwinden sollten, falls wir Demokratie haben wollen. Nachfolgend dokumentiere ich meinen Austritt mit dem Austrittsschreiben, damit klar wird, dass ich dieses Kapitel hinter mir habe:
“Ich bin im vergangenen Jahr, am 20. Jahrestag des völkerrechtswidrigen Einmarschs der USA in den Irak Mitglied geworden. Nach langem Überlegen habe ich mich entschieden, die ÖDP wieder zu verlassen. Meine große Leidenschaft ist die Demokratie und das empfinde ich mittlerweile als das größte Manko innerhalb der ÖDP. Zwei Kernpunkte sind für mich die fehlende Bereitschaft, die Coronakrise – die größte Staatskrise in der Geschichte der BRD – aufzuarbeiten und das fehlende Bekenntnis für den Frieden.
Es geht innerhalb der Partei nicht demokratisch und auch nicht gemeinwohlorientiert zu. Das interne Forum orangeaktiv ist ein Hort gelebter Antidemokratie.
Meine Beiträge wurden regelmäßig entfernt und einmal wurde ich – ohne dass ich jemanden beleidigt hatte, sondern im Gegenteil ständig herabgewürdigt wurde – im Forum gesperrt. Es scheint so zu sein, dass sehr meinungsstarke Akteure dort Admin-Rechte haben und ihnen unliebsame Meinungen ausblenden, selbst wenn sie der Wahrheit entsprechen und moderat vorgebracht werden. Auf der anderen Seite werden Meinungen von zB Coronahardlinern, die mit Beleidigungen und Herabwürdigungen vorgebracht werden, stehen gelassen. Dass sie inhaltlich falsch sind, ist nicht das Problem. Es ist der Hass und die Hetze gegen Opfer einer wissenschafts- und demokratiefeindlichen Politik. Nicht einmal nach Veröffentlichung der RKI-Protokolle gibt es ein Einlenken. Und dies im Debattenraum einer Partei, die „demokratisch“ im Namen trägt. Zuletzt gab es einen Zoom zu den Gründen, warum die EU-Wahl so schlecht ausging. Daran hätte ich gerne teilgenommen, erhielt aber nicht den angeforderten Link.
Es wäre wohl auch sinnlos gewesen. Meine Meinung, dass wir bereits in Bayern 2023 damit antreten hätten müssen, womit das BSW nun eine Marktlücke besetzt hat, wurde rüde zurückgewiesen – obwohl sich durch die Erfolge genau meine Sicht bestätigt hat. Es gibt sonst keine Kraft, die für einen Frieden mit Russland und eine Aufarbeitung der Coronapolitik eintritt – außer der AfD – und zu der sollte doch eine Alternative ohne rechts gebildet werden. Das hat nun das BSW übernommen. Die ÖDP schwimmt lieber mit im Einheitsparteienkartell und ist für niemanden eine Alternative, wie sich gezeigt hat.
Ich habe den Eindruck, dass weite Teile der Partei sich nicht einmal die Mühe machen wollen, zu verstehen. Sie mobben aktiv die kritischen Stimmen aus der Partei und das mit Ansage, ohne dass jemand widerspräche. Das ist nicht die Gesellschaft, die ich gestalten will und in der ich gerne leben will. Die Krönung war ein völlig aus der Luft gegriffener Antisemitismusvorwurf* durch den bayerischen Spitzenkandidaten zur EU-Wahl. Ich konnte und wollte weder meinen Wahlkampf zur Landtagswahl so machen noch die ÖDP bei der Europawahl unterstützen. In einem Gespräch fragte mich (der Spitzenkandidat) vorwurfsvoll, ja fast schon entrüstet, ob ich denn Wähler der AfD gewinnen wolle. Ja, was denn bitte sonst? Begründung siehe oben. Teile der ÖDP halten es scheinbar für wirksamer zu brandmauern, statt Politik für die Menschen zu machen und wundern sich dann.
Ebenfalls hocheskaliert bis zum Bundes- und Landesvorstand ist mein Eintreten für den Frieden. Wenn man mich auf eine Pro-NATO-Position festnageln will, bin ich sicher in der falschen Partei. Niemand hat so viele Verheerungen und so viel Leid in der Welt angerichtet wie die NATO und ihre Mitglieder, allen voran die USA. Ich habe erfahren, wie steinig der Weg innerhalb einer Partei wäre, dies und auch anderes zu ändern. Das wäre völlig verschwendete Energie. Es war für mich jedoch keine verschwendete Zeit, da ich enorm an Erfahrung gewonnen habe und nun selbst erleben konnte, was ich bereits vermutet hatte. Es hat gezeigt, wie schädlich und überflüssig Parteien für eine Demokratie sind. Im Gegenteil stehen sie einer wirklichen Demokratie als Torwächter im Wege.
Ich bin mittlerweile von so vielen Themen entfremdet, die ich als Einfallstor für einen technokratischen Korporatismus sehe und weiß, dass ich damit erst gar nicht anfangen brauche, denn dann geht es konkret um weitere Kernthemen der ÖDP wie SDGs, Klimapolitik und Gemeinwohlökonomie (einmal eines meiner Herzensthemen). Ich sehe mit den Erfahrungen der letzten Jahre hier die Risiken weitaus größer als die Chancen. Die Machtblöcke, die gegen die wirkliche Gemeinwohlorientierung arbeiten, sind zu groß und wenn dies trotz aller gegenwärtigen Möglichkeiten des Beobachtens und Erlebens nicht einmal sachlich diskutiert werden kann, werden wir dem chancenlos ausgeliefert sein. Ebenso chancenlos wie die Schwächsten der Gesellschaft, für die ich mich ständig einsetze. Da kann ich nicht aus meiner Haut als Linker und in der ÖDP sehe ich leider – bis auf einzelne Stimmen – 0 Ansatz für eine gerechte Politik (siehe Coronapolitik).
Ich bin in die ÖDP eingetreten, weil ich einige gute Leute hier in München und Umgebung kenne, die sich für Demokratie, Frieden und gegen Machtstrukturen einsetzen – und dies auch in der Coronakrise getan haben. Ich war erschüttert, welcher demkokratiefeindliche und antiaufklärerische Hass mir im Forum entgegenschlug, als ich diese Positionen dort geäußert habe, von denen ich dachte, dass sie Konsens in der ÖDP seien. Daraus ziehe ich nun die Konsequenzen.”
Was ich der ÖDP zu Gute halten muss: Sie ist wirklich gut organisiert. Unmittelbar nachdem ich das durchgeschickt hatte, wurde mein Mail-Account deaktiviert.
Wer meine Arbeit honorieren möchte, findet unter diesem Link ein paar Möglichkeiten zur Unterstützung zur Auswahl. Vielen Dank!
* Das war der Auslöser des Antisemitismusvorwurfs: Ich würde die jüdisch-bolschewistische Weltverschwörung heraufbeschwören, wenn ich Igor Levit mit einem SPD-Politiker so angreife, dafür dass Karl Lauterbach mit ihm darauf anstieß, dass das IfSG faktisch das Grundgesetz ersetzte und Lauterbach die Demonstranten verhöhnte, die besorgt und verzweifelt auf diesen bis dahin unvorstellbaren Vorgang aufmerksam machten.



Das war die Diskussion, die sich daraufhin entspann, beovr das Ganze dann zum Vorstand eskaliert wurde. Es ist eine der absurdesten Situationen, weil der Vorwurf so “hanebüschen” ist, aber auch, weil er aufzeigt, wie mit den Opfern umgegangen wird. Die sollen gefälligst die Klappe halten und sich im Ton mäßigen. Und das, wo ich in Ansehung des größten Staatsverbrechens in der Geschichte der BRD noch immer vergleichsweise moderat und humorvoll unterwegs bin, obwohl es hierzu, wenn man sich die Dimension des Verbrechens vergegenwärtigt, keinen Anlass gäbe.


Wer meine Arbeit honorieren möchte, findet unter diesem Link ein paar Möglichkeiten zur Unterstützung zur Auswahl. Vielen Dank!
Noch einmal abschließend: Ich mache das nicht, um jemandem zu schaden. Die Wahlen sind grad eh vorbei. Vielleicht regt es den ein oder anderen aber so langsam doch einmal zum Nachdenken an, ob ein derartiger Umgang der Demokratie und einer lebenswerten Gesellschaft zuträglich sind. Ich war eh nur kurz in der Partei und nicht wichtig. Gemessen muss sie wie alle an dem was ihre Akteure tun.